Das Cover von Sport in Berlin erschien im November 1999 anlässlich der 50-Jahrfeier des Landessportbundes. Das schemenhafte Foto wurde am 24. Oktober 1949, wenige Tage vor der Gründung des Sportverbandes, in der Wochenzeitung „Sport Kurier“ veröffentlicht. Es zeigt Kurt Gneist, den Torwart des VfB Pankow beim Spiel gegen Alemania 90 (2:1) auf dem alten Hertha-Sportplatz an der Plumpe. 12.000 Zuschauer waren gekommen. Der traditionsreiche Sportplatz wurde 1972 abgerissen, ein Investor wollte dort Wohnungen bauen. Das passierte immer wieder, Wirtschaftskraft und Stadtplanung hatten Vorrang vor dem Sport. So fielen der Sportpalast, die Radrennbahn Schöneberg, die Deutschlandhalle und die Eissporthalle der Spitzhacke zum Opfer. Ähnliches erfolgte nach der Wende im früheren Ostteil unserer Stadt. Die Politik hatte kein Ohr für den Sport, trotz erheblicher und anhaltender Proteste.
Norbert Skowronek, der LSB-Direktor, zählte in seinem Beitrag in der November-Ausgabe die Versäumnisse der Politik auf und kommentierte damit die im Konzerthaus am Gendarmenmarkt gehaltenen Festansprachen. Die Zukunftsfähigkeit des Sports erhielt von ihm die Bestnote, weil sich das Humankapital des Sports und der in ihm tätigen Ehrenamtlichen trotz staatlicher Sparmaßnahmen durchsetzen und den Sportvereinen und Verbänden das notwendige Rüstzeug für die nächsten Jahrzehnte liefern. Ein optimistischer Blick im Jubiläumsjahr.
Zur 75-Jahrfeier ist das nicht anders. Im schnelllebigen Sport geht es immer um das nächste Spiel, die anstehenden Meisterschaften und kommenden nationalen und internationalen Wettbewerbe und Verpflichtungen. Die Erinnerungskultur konzentriert sich auf zurückliegende, mehr persönliche Erlebnisse und Höhepunkte, weniger auf „Tonscherben des Sports“, die hin und wieder von Wissenschaftlern dreimal umgedreht und analysiert werden. Nur wenige Ehrenamtliche kümmern sich um die Archive des Sports, allenfalls mal bei anstehenden Jubiläen und dem plötzlichen Ruf nach einer Festschrift oder Vereinschronik.
Auf jeden Fall sollten wir uns der „Meilensteine“ erinnern, die das Werden und Wachsen unseres freien und wiedervereinten Sports ganz wesentlich bestimmt haben. So der Anordnung der West-Allliierten gegenüber dem Magistrat, den staatlichen Kommunalsport 1949 zu beenden und nach demokratischen Regeln und dem Gebot des Fairplay Sportvereine zuzulassen, unparteiisch und in den Satzungen offen für alle Bürgerinnen und Bürger, ohne Ansehen von Person, Religion, Herkunft und persönlichen Vorlieben. Demokratie als Lebensform und Sport für alle. Dazu gehörte von Anfang an die Förderung des Nachwuchses und der Jugendvertretungen, deren Eigenständigkeit gegenüber den „Erwachsenen“ nach der NS-Diktatur angeordnet wurde und Eingang in die Gesetzgebung und die Berliner Verfassung gefunden hat. Die Selbstverwaltung des Sports hat weitere, eigene Meilensteine gesetzt und erkämpft, so im Umgang zwischen Sport und Staat durch Subsidiarität in Augenhöhe anstelle von Anordnung und Konkurrenz, der Solidarität für West-Berlin in den Auseinandersetzungen zwischen Ost und West, in der sozialen Offensive mit der gleichberechtigten Förderung des Spitzen-, Breiten- und Freizeitsports, der Gesunderhaltung von Kindern im Vorschulalter bis zu langlebigen Senioren, der Aufnahme der Paralympics und Special Olympics, der Kooperation, Integration und Inklusion zu Gunsten von Schwächeren und bisher benachteiligten Gruppen der Gesellschaft. In Paris wird erstmals auch die Nachhaltigkeit auf die Probe gestellt.
Das vor 25 Jahren von Norbert Skowronek beschriebene Humankapital der im Sport Tätigen ist weiterhin bestimmend für die Arbeit und Modernisierung unserer Vereine und Verbände. Am „Puls der Zeit zu sein“, ist unsere beste Zukunftsperspektive. Diese Aussage können wir auch unserer „Zeitkapsel“ für das Hundertjährige anvertrauen.
(Langfassung)