Die Olympischen Spiele der Antike

1.200 Jahre gefeiert und 1.000 Jahre vergessen

 Die Geschichte der Olympischen Spiele ist uralt. Schenkt man den frühen griechischen Sagen Glauben, dann wurden bereits zwei- bis dreitausend Jahre vor unserer Zeitrechnung zu Ehren des Gottes Zeus Wettspiele im heiligen Bezirk von Olympia veranstaltet. Am Zeustempel in Olympia sind Herakles und Pelops abgebildet, in denen man die Begründer der Spiele vermutet. Die Wettspiele schienen lange Zeit in Vergessenheit geraten zu sein, denn erst im 8. Jahrhundert v. Chr. drang wieder eine Kunde darüber an das Licht der Öffentlichkeit. Der Peloponnes wurde zu dieser Zeit fortwährend von Kriegen heimgesucht. Die griechischen Staaten waren untereinander verfeindet. Der Hass zwischen den großen Stadtstaaten, insbesondere zwischen Athen und Sparta, wurde sorgsam gehütet und durch immer neue Feindlichkeiten genährt.

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Olympia – heute  ein Ort für die Entzündung des Olympischen Feuers

In Elis regierte 880 v. Chr. König Iphitos, dem eines Tages die dauernden Streitigkeiten zwischen den Griechen zu Herzen gingen. Er sandte Boten zum Orakel nach Delphi und erbat den Rat der Götter. Das Orakel antwortete: „Beschützt euer Vaterland, enthaltet euch des Krieges, pfleget die gemeinsame Freundschaft mit den Hellenen, solange zu euren alljährlichen Festen das Freudenjahr kommt.“ Iphitos deutete die Weissagung als Forderung, die alten Olympischen Spiele wieder zu erneuern. Er wandte sich daraufhin an Lykurgos, des König des benachbarten Sparta, und schloss mit ihm einen Vertrag über einen „Gottesfrieden“ für die Dauer der Olympischen Spiele. In diesem Vertrag wurde festgelegt, dass ‚Olympia ein heiliger Ort ist und jeder als Gottesfrevler gebrandmarkt wird, der diese Stätte mit bewaffneter Macht betritt’. Mit diesem Vertrag tritt fortan alle vier Jahre für die Dauer der Spiele ein dreimonatiger Waffenstillstand in Kraft. Der Vertrag zwischen Iphitos und Lykurgos wurde auf einem bronzenen Diskus eingeritzt, der in Olympia aufbewahrt wurde. Pausanius, ein reiselustiger römischer Schriftsteller, hat diesen Diskus noch tausend Jahre später, etwa um 175 n. Chr., im Heratempel zu Olympia gesehen.

 

Der weise Staatsmann Iphitos von Elis hatte erreicht, dass sich die verfeindeten Staaten, wenn auch vorerst nur alle vier Jahre, in Olympia zum Ruhme der Götter bei friedlichen Wettkämpfen einfanden und beim edlen Wettstreit Krieg und Hass vergaßen. Dieser erste Waffenstillstand der antiken Welt sollte dann auch zu einer Annäherung zwischen den einzelnen Staaten des Peloponnes führen.

Als ‚offizielle’ Geburtsstunde der antiken Olympischen Spiele wird heute das Jahr 776 v. Chr. angesehen. Die Griechen führten in diesem Jahr eine neue Zeitrechnung ein und verewigten erstmals die Namen der olympischen Sieger auf einer Marmortafel. In den folgenden Jahrhunderten, insbesondere im 5. Jahrhundert v. Chr., gelangten die Spiele in Olympia zu einer immer größer werdenden Bedeutung. Alle vier Jahre, beim Vollmond nach der Sommersonnenwende, versammelten sich Wettkämpfer und Zuschauer aus allen Teilen des Landes und der Kolonien Unteritaliens, Siziliens und Kleinasiens zum großen Friedensfest in Olympia. Auch bekannte Staatsmänner, Gelehrte und Philosophen kamen nach Olympia, um dort beim Nationalfest ihres Volkes miteinander zu sprechen. Olympia war nicht das einzige Nationalfest der Griechen, es gab außerdem noch die Spiele in Isthmia, Delphi und Nemea. Die Olympischen Spiele überstrahlten alle. Es war das höchste Ziel jedes freien Griechen, einmal Sieger in Olympia zu werden und mit dem Siegespreis, einem Kranz aus Blättern des wilden Ölbaums, in seine Heimat zurückzukehren.

 

Wo lag Olympia?

 Wo lag das antike Olympia? Nimmt man eine Karte der Balkanhalbinsel zur Hand, findet man nicht ‚auf Anhieb’ jenen Ort, dessen Name einst alle anderen Stätten des Altertums überstrahlte. Man ist versucht, Olympia in der Nähe des Olymps, des alten Thrones der griechischen Götter zu vermuten. Olympia liegt aber über 500 km vom Berg Olymp entfernt. Wir finden es in der Landschaft Elis, im Nordwesten des Peloponnes am Mittelländischen Meer. In einem hügeligen, grünen Tal, an der Gabelung des Flusses Alpheios (Ruphia) und des Gebirgsbaches Kladeos, lag Olympia.

 

Olympia war immer eine Stätte der Götterverehrung, war Heiligtum aller Griechen. Eine Stadt oder ein Dorf dieses Namens hat es nie gegeben. Priester und Tempelwächter waren die einzigen ständigen Bewohner Olympias. Für damalige Verhältnisse lag Olympia im entlegensten Winkel des Landes. Die nächste Stadt war das alte Pisa, durch den heiligen Weg mit Olympia verbunden. Von Athen aus waren es über Patras 340 km, über Korinth 320 km bis Olympia. Es bedurfte eines dreimaligen „Gottesfriedens“, damit alle Wettkämpfer und Schlachtenbummler die Stätte der Spiele erreichen konnten. Die Olympischen Spiele selbst kamen erst spät nach Olympia. In Sagen und Mythen wird von einem Altar des Zeus und einer Orakelstätte berichtet, die sich in einem bewaldeten Olivenhain, dem heiligen Hain (Altis), am Fuß des Kronoshügels befanden. In diesem Hain sollen die ersten Wettkämpfe zu Ehren der Götter stattgefunden haben, das waren vielleicht ein- bis zweitausend Jahre vor unserer Zeitrechnung.

 

Der heilige Hain, die Altis, wurde im 8. Jahrhundert v. Chr. der erste Fest- und Wettkampfplatz der Olympischen Spiele. Am Zeusaltar endeten die Wettläufe der griechischen Helden. Zu Ehren der Göttin Hera, einer ‚Lokalgöttin’ der Landschaft Elis, wurde um 800 v. Chr. auf der ca. 200 Meter breiten, fast quadratischen Altis der erste Tempel Olympias errichtet. Der Tempel der Hera (50 x 18 m), das Heraion, war Kultstätte und Schatzhaus zugleich. Zeus, Hera und Pelops wurden im Heraion verehrt, die Weihegaben, Statuen und Wettkampfgeräte dort aufbewahrt. In diesem Tempel war auch der Gründungsurkunde der Spiele, der Diskus mit Vertrag zwischen Iphitos und Lykurgos, ausgestellt. Das Nationalfest der geeinten griechischen Völker gewann für Olympia eine immer größer werdende Bedeutung. Der heilige Hain erhielt eine Umfassungsmauer und erfuhr in den Jahrhunderten großartige bauliche Veränderungen. So wurde dann die Altis der große Fest- und Versammlungsplatz der Olympischen Spiele. Östlich von der Altis entstanden die Wettkampfstätten der Spiele, südlich die Verwaltungsgebäude und Häuser der Ehrengäste.

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Betrachten wir uns nun die Bauwerke in Olympia etwas genauer. Vom Tempel der Hera haben wir bereits berichtet. Mittelpunkt des heiligen Hains war der Tempel des Zeus, eines der bekanntesten Zeugnisse hellenischer Baukunst. Von den Eleern, den Organisatoren der Spiele, wurde er nach dem Sieg über den Stadtstaat Pisa im 4. Jahrhundert zu Ehren des Gottes Zeus errichtet. Mit seinen gewaltigen Ausmaßen, 75 x 30 Meter Grundfläche und 20 Meter Höhe, beherrschte er den Festplatz und das Wettkampfgelände. Im Mittelraum des Tempels befand sich die berühmte Statue des Zeus, eines der sieben Weltwunder des Altertums.

 

14 Meter war die Statue hoch und erreichte damit fast die Decke der Tempelhalle. Auf der Altis entstanden später weitere Bauten: das Pelopion (Grabstätte des Heros Pelops), das Hyppodameion (Grabmahl der Gemahlin Pelops), das Prytanneion (Stätte des olympischen Feuers), das Metroon (Tempel der Kybele), das Philippeion (Rundbau Philipp von Mazedoniens), die Echohalle und das Hippodrom (Pferderennplatz). Über 200 Statuen und Ehrensäulen hatten außerdem im heiligen Hain Aufstellung gefunden. Am Kronoshügel, in unmittelbarer Nähe der Altis, wurden bereits im 7. Jahrhundert v. Chr. Schatzhäuser angelegt. In ihnen wurden die heiligen Geräte und die wertvollen Weihegeschänke der Länder und Städte, der Machthaber und Statthalter aufbewahrt. Unermessliche Schätze wurden in diesen 12 Schatzhäusern zusammengetragen. Südlich der Altis errichteten die Eleer im 5. Jahrhundert ein Verwaltungsgebäude, das Buleuterion. Westlich der Altis befanden sich die Übungsplätze der Wettkämpfer, das Gymnasion (offener Übungsplatz), die Palaistra (Übungshalle und Vortragssaal), der Theokoleon (Versammlungsort der olympischen Priester) und das Leonidaion (Gästehaus). Hier war auch der Haupteingang der Altis. Die eigentliche Wettkampfstätte, das 192,27 m lange Stadion, las östlich der Altis und war mit dieser durch einen gemauerten Gang, die Krypta, verbunden. Pausanius, römischer Globetrotter aus Passion, hat diese Stätten des alten Olympia in seinen umfangreichen Reiseberichten beschrieben. Er hat der Welt in seinen Schriften das Wissen um Olympia erhalten.  

 

Das Programm: Dreiklang von Körper, Geist und Seele

 

Eine „Misere der Leibeserziehung an den Schulen“ – so der Titel einer ersten Resolution des Deutschen Sportbundes zum Schulsport aus dem Jahre XXXX – gab es im alten Griechenland nicht. Getreu dem griechischen Erziehungsideal, der Bildung des Menschen im harmonischen Dreiklang von Körper, Geist und Seele, wurden in den Schulen Griechenlands die potentiellen Olympiakämpfer der Zukunft erzogen. Auf dem Stundenplan der ‚Gymnasien’ nahmen die Leibesübungen der ersten Platz ein. In der Turnhalle, der Palaistra, verbrachte der junge Grieche vom 7. Lebensjahr an den größten Teil seiner Schulzeit. Seine Lehrer unterrichteten ihn in allen Sportarten, dem Lauf, Sprung und Wurf, der Gymnastik und dem Ringen. Das Training war hart. Zimperlichkeiten und unkameradschaftliches Verhalten wurden mit Stockhieben bestraft. Nach den anstrengenden Übungsstunden in der Palaistra war der Schüler recht froh, in den verbleibenden Schulstunden auch geistiges Wissen vermittelt zu bekommen. Angst vor Zensuren brauchte er keine zu haben, denn Lesen und Schreiben, Philosophie, Geschichte, Mathematik und Religion wurden ihm in der Schule (griech. schole = Muße) ganz ‚nebenbei’ beigebracht. So verließ der junge Grieche die Schule in erster Linie als durchtrainierter und widerstandsfähiger Athlet. Was lag ferner, als dass in dem Jüngling der ehrgeizige Traum erwachte, beim Nationalfest in Olympia als Wettkämpfer an den Start zu gehen? Nur ganz wenige konnten dieses hochgesteckte Ziel erreichen, der Weg zum Olympiakämpfer war dornenreich.

 

Unser Kandidat musste sich ein Jahr vor den Spielen bei der zuständigen Prüfungskommission melden. Er hatte nachzuweisen, dass er als freier Bürger geboren war dessen Vergangenheit keinen Makel hatte. Dann musste er sich einer Gruppe von „Vertrauensärzten“ stellen, die seine körperliche und geistige Veranlagung testeten.  Bestand er diese ‚Aufnahmeprüfung’, musste er einen ‚heiligen Eid’ schwören, die Regeln der Spiele zu achten und die Anordnungen der Kampfrichter einzuhalten. Nun hatte der junge Wettkämpfer einen Sportlehrer zu mieten, der mit ihm das vorgeschriebene Vortraining absolvieren musste. Das Trainerhonorar hatte er selbst zu entrichten. Das Vortraining dauerte zehn Monate. Der Wettkämpfer hatte sich in dieser Zeit bedingungslos den Anordnungen seines Trainers zu unterwerfen. Er wurde auf Diät gesetzt, durfte keinen Alkohol zu sich nehmen und musste den übrigen Freuden des Lebens entsagen. Nach neunmonatigem Training kam dann die große Bewährungsprobe für unseren jungen Wettkämpfer. Er musste mit seinem Sportlehrer nach Elis, dem von Olympia ca. 50 km entfernten Trainingslager, reisen. Auch diese Reisekosten hatte der Bewerber selbst zu tragen. Unter Leitung der olympischen Kampfrichter, den Hellanodiken, erfolgte in Elis das harte Abschlusstraining. Nur die kräftigsten und charakterstärksten Athleten überstanden diese 30tägige ‚Schinderei’. 

Am ersten Tag der Olympischen Spiele versammelten sich die Athleten vor dem Sitz des olympischen Rates, um vor der Statue des Zeus Horkios den olympischen Eid abzulegen. Im Anschluss daran bewegten sich die Wettkämpfer in feierlicher Prozession zu den Tempeln und Altären zum großen Opferfest. Tiere, Geld und Geschmeide wurden von den Athleten und den Delegationen der Länder und Städte den Göttern geopfert.

 

Vom 2. bis 4. Tag der Spiele wurden Wettkämpfe im Laufen, Faustkampf und Ringen ausgetragen. In späteren Jahren kamen der Fünfkampf (Wettlauf, Weitsprung, Diskus- und Speerwurf, Ringen) und ein Wagenrennen hinzu. Das Wettkampfprogramm wurde im Laufe der Zeit auch durch Wettkämpfe der Knaben bereichert. Frauen waren zu den Spielen nicht zugelassen. Für sie wurden vor und nach den Olympischen Spielen eigene Frauwettkämpfe, die Spiele der Hera, veranstaltet.

 

Am 5. Tag der Spiele erfolgte die Auszeichnung der Sieger. Für die Zuschauer, zehntausend und mehr an der Zahl, war dies der Höhepunkt. Die Olympiasieger nahmen im Zeustempel vor der Statue des Phidias Aufstellung, während sich die Zuschauer im Vorraum und auf der Galerie des Tempels versammelten. Herolde riefen den Sieger zum goldenen Altar des Tempels und verkündeten den Namen seines Vaters und seiner Heimatstadt. Die olympischen Priester legten dem Sieger die weiße Wollbinde um das Haupt und setzten den Siegerkranz darauf. Im Anschluss an die Auszeichnung der Sieger wurde von den Altären der Altis noch einmal den Göttern geopfert. Dann wurden die Sieger zum Prytaneion, dem Tempel des olympischen Feuers, geleitet, wo ihnen die Eleer ein großes Festessen gaben. Am Abend luden dann die einzelnen Olympiasieger ihre Freunde und Angehörigen ebenfalls zu einem Festmahl ein. Am folgenden Morgen traten die Wettkämpfer, Zuschauer und Delegationen die Heimreise an.

 

Der berühmteste Olympiasieger war Milon von Kroton. Er wurde sechsmal Olympiasieger im Ringen. Er gehörte somit 24 Jahre zur Spitzenklasse der Ringer. Man erzählt von ihm, dass er seine Siegerstatue selbst in die Altis getragen haben soll. Milon war nicht nur der große Muskelprotz in der Geschichte der Spiele. Als Schüler des Pythagoras war er außerdem ein wohlgebildeter Mann, der auch als Autor eines wissenschaftlichen Werkes hervortrat.

 

Vom Talent zum siegreichen Athleten

 

Der Geist Olympias lebt in seinen Bauwerken, Statuen, Siegern und Hymnen, aberauch in den Sagen, Berichten und Anekdoten der griechischen und römischen Schriftsteller. Dicke Bücher haben sie über Olympia geschrieben und darin auch zahlreiche Anekdoten gesammelt. Wir wissen nicht, was davon Dichtung und Wahrheit ist. Doch das ist auch nicht wichtig. Bekannte Dichter unserer Zeit haben sich an der Geschichte Griechenlands und seiner Spiele begeistert und uns die alten Quellen übersetzt. Goethe und Schiller, Herder, Kleist und Hölderlin gehören zu ihnen.

 

Die Neugierde der Griechen war groß. Zeitungen, Radio, Fernsehen und Internet gab es nicht. Der Wissensdurst wurde ausschließlich durch das gesprochene Wort befriedigt. Die Bewohner der Städte und Dörfer erwarteten deshalb immer wieder fieberhaft die Rückkehr der Olympiakämpfer und Schlachtenbummler. Was gab es nicht alles zu erzählen, von Siegern und Besiegten, Kunst und Dichtung, Politik und Klatsch. Der Sieger im Langlauf auf der 113. Olympiade (366 v. Chr.), Ageos von Argos, hatte es besonders eilig, seinen Landsleuten die Siegesnachricht zu überbringen. Noch am Tage der Siegerehrung brach er auf, um im Dauerlauf seine 100 km weit entfernte Heimatstadt zu erreichen. Er schaffte es an einem Tag.

 

Auch der griechische Geschichtsschreiber Herodot berichtet uns ‚mündliches’ aus Olympia. In einem seiner Werke versucht er, eine Antwort auf die Frage nach dem Sinn und Zweck der Spiele in Olympia zu finden. Die Schriftstellerin Ina Isenbörder hat diese Begebenheit in ihrem anerkannten Jugendbuch „So war es in Olympia“ (Matthias-Grünewald-Verlag Mainz) nacherzählt: Um 480 v. Chr. Hat der Perserkönig Xerxes mit seinem Heer den Hellespont überquert, Thessalien eingenommen und den Seepass der Thermopylen überrannt. Die militärische Situation der Hellenen scheint aussichtslos, Griechenland verloren. Da werden Überläufer ins persische Lager und vor den König gebracht, der sie fragt, wie denn die Stimmung in Griechenland sei, schlecht natürlich. Ein Zögern, und die unerwartete Antwort: „Sie feiern die Olympischen Spiele.“ – „Was tun diese Burschen?“ – „Sie schauen den Wettkämpfen und Wagenrennen zu.“ – Der König versteht nicht. Dann kommt ihm der Gedanke: „Ah, sie spielen und wetten um Gold und Silber – habgierig bis zum letzten Augenblick. Es wird ihnen vergehen.“ – „Nein“, sagen die Überläufer, „der Preis des Kampfes ist nur ein Ölbaumzweig.“ – Das geht den Persern über den Verstand, es verschlägt ihnen den Atem. So siegesgewiss sie eben noch waren, jetzt auf einmal spüren sie eine unerklärliche Furcht vor einem Gegner, der mitten in der tiefsten Verzweiflung die Waffen niederlegt, um ein Fest zu feiern und Spiele abzuhalten, bei denen es nichts zu verdienen gibt als nur – die Ehre. Diese Leute müssen etwas an sich haben, was gefährlich werden könnte, dämmert ihnen – und der griechische Sieg bei Salamis erbringt den Beweis.

 

Eine weitere Anekdote übermitteln uns Pausanius und Aischines: Verheiratete Frauen durften den heiligen Bezirk von Olympia nicht betreten. Bei den Eleern bestand sogar ein Gesetz, Frauen, die in Olympia ertappt wurden, von einem schroffen Felsen, dem Typaion, hinabzustoßen. Nur einmal wurde gegen dieses Gesetz verstoßen. Kallipateira, so lautet wahrscheinlich der Name dieser Frau, hatte nach dem Tode ihres Mannes den Ehrgeiz, ihren Sohn zum Olympiakämpfer zu erziehen. Sie verkleidete sich als Sportlehrer und brachte es fertig, ihren Sohn Peisidoris siegte im Wettkampf der Knaben. Kallipateira übersprang voller Freude die Barrieren des Wettkampfplatzes, entblößte sich dabei und wurde als Frau ertappt. Als die Hellanodiden (Festordner und Kampfrichter) rügten, dass sie es gewagt hatte, das Stadion zu betreten, antwortete sie: „Gab denn der Gott nicht mir allein unter allen Frauen Grund zu stolzem Auftreten? Mein Vater war Olympionike, meine drei Brüder waren es, und jetzt führe ich einen Sohn auf die Kampfbahn.“ Ob dieser Rede brach das Volk in Jubel aus und Kallipateira entging der angedrohten Strafe. Man machte aber daraufhin ein Gesetz, dass ebenfalls die Sportlehrer wie auch die Wettkämpfer künftig nackt zu den Wettkämpfen anzutreten hatten.

 

Nicht nur durch außergewöhnliche Muskelkräfte, sondern auch durch zielgerichtetes Training konnte man Chancen in Olympia zu haben. Straton von Alexandria, ein verwöhnter Jüngling aus vornehmen Hause, erhielt wegen seiner schwächlichen Konstitution und eines Leberleidens vom Arzt tägliche gymnastische Übungen verordnet. Nicht gerade mit großer Freude besuchte Straton daraufhin die Gymnastikstunden.

 

Die Turnübungen kräftigten ihn jedoch mit der Zeit derart, dass seine Leiden heilten und er kräftig und gelenkig wurde. Straton holte sich in Olympia dreimal den Siegerkranz. Er siegte auf der 178. Olympiade (68 v. Chr.) an einem einzigen Tage im Pankration (einer Art Ringkampf auf Leben und Tod) und im Faustkampf. Einen weiteren Sieg errang er dann noch auf der 179. Olympiade (64 v. Chr.).

 

Auch Könige traten in Olympia als Wettkämpfer hervor. Philipp II. von Makedonien siegte auf der 106. Olympiade (354 v. Chr.) im Wagenrennen. Einige Freunde redeten ihm gut zu, auch als Schnellläufer an den Start zu gehen. Philipp, ein hervorragender Schnellläufer, erklärte sich dazu gern bereit, aber unter dem Vorbehalt, nur dann anzutreten, „wenn auch alle seine Gegner Könige seien“. Philipps Sohn, Alexander der Große, nahm ebenfalls an den Olympischen Spielen teil, wurde jedoch im Wettkampf besiegt. Ein Zeichen dafür, dass selbst mächtige Könige sich dem Spruch der olympischen Kampfrichter zu beugen hatten.

 

Doch diese olympische Fairness sollte dann in späteren Jahren von der Korruption und vom Profitum verdrängt werden. Persönliche Eitelkeiten der Mächtigen hielten in Olympia Einzug und triumphierten schließlich über den Geist der Spiele.

 

Nero und der Niedergang unter den Römern

 

Von 776 v. Chr. bis 393 n. Chr., in einem Zeitraum von fast 1200 Jahren, feierten die griechischen Völker 293mal das Fest der Olympischen Spiele. Die Blütezeit war im 5. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung, die folgenden Jahrhunderte brachten einen fortwährenden, langsamen Niedergang des ‚Friedensfestes’ zu Ehren der Götter in Olympia.

 

Im 4. Jahrhundert v. Chr. Nahmen erstmals berufsmäßige Athleten und Spezialisten an den Wettkämpfen in Olympia teil. Die allgemeine Gymnastik, ein Ausdruck des griechischen Wesens, wurde in diesem Jahrhundert durch ein zielgerichtetes Training in den verschiedenen Sportarten ersetzt. Der religiös-kultische Gehalt der Spiele in Olympia verblasste. Olympia wurde zum Schauplatz sportlicher Massenbelustigungen und eitler Schaustellungen berufsmäßiger Faustkämpfer und Catcher. Die Sieger wurden zwar nach wie vor mit dem heiligen Siegerkranz aus Blättern des Ölbaums geehrt, doch diese Ehrung war nicht mehr Selbstzweck und höchstes Ethos der Spiele, vielmehr, entscheidend waren nur noch die hohen Geldbeträge, die den Athleten für ihr Antreten in Olympia gezahlt wurden. Olympia war noch Treffpunkt aller Griechen, als ‚Nationalfest’ der Hellenen wurde es aber immer bedeutungsloser. Alexander der Große, Sohn Philipps von Makedonien, unterwarf die griechischen Völker und eroberte in Kleinasien, Persien und Indien ein Weltreich. Nach seinem Tode hörte die griechische Nation auf zu bestehen.

 

Ein Jahrhundert später eroberten die Römer die griechische Halbinsel. Römische Soldaten standen staunend vor den Tempeln, Arenen und Statuen Olympias. Fortan wurden auch in Rom „Spiele“ veranstaltet, doch nicht nach den alten griechischen Wettkampfregeln, sondern als blutige Volksbelustigungen und Gladiatorenkämpfe. Die Olympischen Spiele wurden auch während der Römerzeit fortgeführt. Im Jahre 80 v. Chr. verfrachteten die römischen Eroberer alle Teilnehmer der 175. Olympiade zwangsweise nach Rom, wo sie im Circus Maximus an Schaukämpfen teilnehmen mussten. Der römische Kaiser Augustus erweckte die griechischen Spiele in Olympia noch einmal zu neuem Glanz. Unter seiner Regierungszeit wurden prächtige Bauten, vor allem Unterkunfts- und Gasthäuser für die Besucher, auf dem Gelände der Altis errichtet. Die Spiele wurden für das gesamte römische Weltreich veranstaltet. Augustus schickte seinen Stiefsohn, den späteren Kaiser Tiberius, mit seinem Vierergespann nach Olympia. Im Jahre 17 n. Chr. folgte Tiberius dem Beispiel seines Stiefvaters und entsandte seinen Sohn, den Prinzen Germanicus, nach Olympia.

 

Dann folgte der schwärzeste Tag in der Geschichte Olympias: Kaiser Nero, 14 Jahre lang der ‚starke’ Mann des römischen Imperiums, besuchte die Olympischen Spiele. Er zwang die Griechen, den Termin der Spiele erstmals nach 800 Jahren um zwei Jahre hinauszuschieben. Mit 5000 Mann Leibwache zog Nero 67 n. Chr. zu den 211. Olympischen Spielen. Er trat bei fast allen Wettkämpfen als Aktiver an. Das Programm der Spiele musste eigens für ihn um einen „Kunstwettbewerb“ – Gesang und Dichtung – erweitert werden. Kaiser Nero ging bei allen Wettbewerben als der ‚größte Olympiakämpfer der Geschichte’ hervor. Sämtliche Kampfrichter waren von ihm bestochen worden. Er erhielt sogar im Wagenrennen den Siegerkranz, obwohl er während des  Rennens aus dem Wagen geschleudert wurde. Als Triumphator kehrte er nach Rom zurück. Sueton berichtet: „Im Prunkwagen des Augustus stehend, von weißen Rossen gezogen, angetan mit goldbestickten griechischen Purpurgewändern, so hielt Nero Einzug in Rom. Den Olympischen Siegerkranz trug er auf dem Haupt, seine übrigen 1800 ‚errungenen’ Siegerkränze wurden ihm vorangetragen. Herolde verkündeten seine Siege“. In späteren Jahren haben die Griechen den Namen Neros aus den Siegertafeln verbannt, ja, aus Scham vor diesen Geschehnissen wurde die 211. Olympiade zur „Panolympiade“ und damit für ungültig erklärt.

 

Es wurden weiterhin Olympische Spiele veranstaltet. Die geistige Führungsschicht der Griechen war dezimiert, der eigentliche Geist der Spiele längst erloschen. Das vordringende Christentum duldete die Spiele in Olympia als letzte Äußerung des Heidentums. Die römischen Kaiser Julianus und Valens förderten die Spiele und ließen sie mit Pracht feiern. Theodosius der Große, der letzte gemeinsame Kaiser des west- und oströmischen Reiches, verbot schließlich 394 n. Chr. alle heidnischen Feste und versetzte damit den Olympischen Spielen endgültig den Todesstoß. Das Christentum siegte, die Weltreiche der Griechen und Römer waren zerfallen, die alte griechische Kultur erloschen.

 Die Tempel Olympias wurden geplündert und verbrannt, die Statuen verschleppt. Eines der sieben Weltwunder, die Statue des Zeus, wurde nach Alexandria gebracht und fiel dort einem Brand zum Opfer. Die Westgoten unter Alarich verwandelten Olympia in ein Trümmerfeld. Zwei große Erdbeben im 5. Jahrhundert brachten die mächtigen Säulen des Zeus- und Heratempels zum Einsturz. Verheerende Überschwemmungen führten Schlamm- und Geröllmassen heran und bedeckten die Stätten der Olympischen Spiele. Nach 1200 Jahren war das Olympische Feuer erloschen.  

 

Die Geschichte Olympias wird wiederentdeckt und ausgegraben 

Über 1000 Jahre war das Wissen um Olympia und seine Spiele in tiefes Dunkel gehüllt. Die olympischen Stätten waren nicht mehr erkennbar, fremde Völker siedelten sich in Elis an und benutzten die Überreste von Tempeln und Palästen zum Bau ihrer Häuser.

 

Im 14. Jahrhundert wurden die alten griechischen Schriften wieder entdeckt. Italienische, französische, englische und deutsche Gelehrte beschäftigten sich auch mit den Werken des Pausanius, der mehrere Bände seiner umfangreichen Reiseberichte den Olympischen Spielen gewidmet hatte. Der Bischof von Korfu, Quirini, regte 1723 an, in Griechenland nach der Landschaft Elis und den alten Stätten Olympias zu suchen. Auch der deutsche Gelehrte Winkelmann hegte 40 Jahre später diesen Gedanken. Beide Vorhaben wurden nicht verwirklicht.

 

Englischen und französischen Wissenschaftlern gelang es in der Mitte des 18. Jahrhunderts, die alten Stätten aufzufinden und erste Ausgrabungen einzuleiten. Französische Archäologen brachten zwei Metopen des Zeustempels in den Pariser Louvre. Die Ausgrabungen wurden eingestellt, nachdem in Griechenland Stimmen laut wurden, die sich gegen eine ‚Verschleppung’ der Kunstschätze durch fremde Länder richteten. In diesen Jahren setzte eine Renaissance in Sachen „Olympia“ ein. Die bekanntesten Dichter übersetzten die olympischen Hymnen des Pindar in alle Sprachen. In Dänemark und England wurden um 1830 Turniere und Wettkämpfe veranstaltet, die den alten olympischen Vorbildern ähnelten. 1836 unterbreitete Fürst Pückler der Gelehrtenwelt den Vorschlag, in Elis einen großen ‚Kunstpark’ zu errichten und griechische Kunstgegenstände dort auszustellen. Dieser Plan kam nicht zur Ausführung.

 

Im Jahre 1837 kam der spätere Wiederentdecker Olympias das erste Mal nach Griechenland, Ernst Curtius. Der 23-jährige Student  aus Lübeck besuchte die antiken Ortschaften und Bauwerke. Ganz besonders hatten es ihm die Schriften über Olympia angetan, in ihm erwachte der ehrgeizige Gedanke, die Altis mit den olympischen Stätten wieder auszugraben. Die Erreichung dieses Zieles wurde seine Lebensaufgabe. Sieben Jahre später wurde Curtius Professor in Berlin und Erzieher des preußischen Kronprinzen, des späteren deutschen Kaisers Friedrich. Am 10. Januar 1852 hielt Ernst Curtius in der Berliner Singakademie seinen berühmten Vortrag „Olympia“, der mit den Worten schloss: „Was dort in dunkler Tiefe liegt, ist Leben von unserem Leben. Wenn auch andere Gottesboten in die Welt ausgezogen sind und einen höheren Frieden verkündet haben, so bleibt Olympia doch auch für uns ein heiliger Boden, und wir sollten in unsere, von reinerem Licht erfüllte Welt hinübernehmen den Schwung der Begeisterung, die aufopfernde Vaterlandsliebe, die Weihe der Kunst und die Kraft der alle Mühsale des Lebens überdauernden Freude.“ Der Eindruck dieses Vortrages auf die geistige Elite Preußens war überwältigend. Der anwesende König Friedrich Wilhelm IV. gab seinen Gefühlen Ausdruck mit den Worten: „Da möchte man sich ja selbst mit der Sparbüchse an die Tür stellen und für die Ausgrabungen und die Erreichung dieses Zieles sammeln.“

 

Die preußische Gesandtschaft in Athen stand von diesem Tag an in ständigen Beratungen mit der griechischen Regierung über das Zustandekommen einer Ausgrabegenehmigung. Es sollten aber noch fast 25 Jahre vergehen, bevor Prof. Curtius an die Verwirklichung seiner Ziele gehen konnte. Preußen war ein armes Land, verschiedene kriegerische Auseinandersetzungen, der Krimkrieg, die Kriege gegen Dänemark und Österreich ließen die Olympiapläne ruhen. Nach dem siegreichen Krieg gegen Frankreich und der Gründung des deutschen Kaiserreiches konnten die Verhandlungen schließlich zum Abschluss gebracht werden. 1874 unterzeichneten das Deutsche Reich und das Königreich Griechenland einen Vertrag über die deutschen Ausgrabungen in Olympia. In Deutschland brach eine Olympiabegeisterung in allen Schichten des Volkes aus. 75.000 Taler stellte man Ernst Curtius und seinen Mitarbeitern für die Aufnahme der Ausgrabungen zur Verfügung. Im Jahre 1875, das letzte Misstrauen der griechischen Regierung war überwunden – den Griechen erschien es aber immer noch ‚unheimlich’, dass eine fremde Nation nur aus Idealismus und Forscherdrang gewaltige Summen für Freilegung von Ruinen ausgeben wollte -, begannen die Ausgrabungen in Elis. Von 1875 bis 1881 wurden unter der Leitung von Curtius die Gebäude der Altis freigelegt. Die Kosten der Aufdeckung der Gebäude und Monumente beliefen sich auf fast 800.000 Goldmark. Ein Grieche, Andreas Syngros, stiftete für Olympia ein großes Museumsgebäude zur Aufnahme der Kunstwerke. Im Vorsaal des Museums stehen heute die Büsten von Ernst Curtius und Wilhelm Dörpfeld. Wilhelm Dörpfeld übernahm nach dem Tode Curtius die Leitung der Ausgrabungen. Von 1914 bis 1917 ließ er im Museum die wertvollsten Funde aufstellen. Die eigentlichen Ausgrabungen wurden nach Kriegsende im Jahre 1922 wieder aufgenommen und nach den Olympischen Spielen in Berlin (1936) mit Unterstützung der Reichsregierung und unter Leitung von Wilhelm Dörpfeld beendet.

 

Auch nach dem 2. Weltkrieg haben deutsche Wissenschaftler in Olympia ihre Arbeit fortgesetzt. Das Deutsche Archäologische Institut in Athen hat sich unter der Leitung von Prof. Emil Kunze seit den fünziger Jahren vornehmlich mit der Freilegung des Leonikadiums und der Ordnung des bereits ausgegrabenen Stadions beschäftigt. Seit den siebziger  Jahren wurden unter der Leitung von A. Mallwitz und H. Kyrieleis Ausgrabungen am Prytaneion (Sitz der olympischen Götter) und Pelopion (Altar und Grabhügel des Pelops) vorgenommen. Derzeit wird neben einem Forschungsprojekt über die Römerzeit an einem Masterplan zur Präsentation des Ausgrabungsgeländes gearbeitet, der dem gesteigerten Besucherinteresse geschuldet ist. Die Ausgrabungen und Forschungsarbeiten werden von der Bundesrepublik Deutschland, dem Olympischen Komitee, der Deutschen Olympischen Gesellschaft und der von Carl Diem gegründeten Olympischen Akademie gefördert und unterstützt.

 Erstveröffentlichung in der Zeitschrift „turnerjugend“ (Pohl-Verlag Celle), Ausgaben Januar bis Juni 1967/Ergänzt 2009.

 

 

2 Antworten zu “Die Olympischen Spiele der Antike”

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