Sport ist mehr: Die sozialen Aufgaben des Sports

 

Das Sport ‚mehr ist als Körperertüchtigung‘ ist, ist eine wissenschaftlich bewiesene und tausendfach beschriebene Binsenweisheit, ja eine Selbstverständlichkeit. Unsere Mediengesellschaft unterschlägt die kulturellen und insbesondere die sozialen Leistungen der Sportvereine nur zu gern und stellt die sportlichen Heroen ins Scheinwerferlicht. Sportvereine sind in erster Linie zum Sporttreiben da, was ja auch nicht falsch ist.  Der Verein als eine von Bürgern freiwillig und überwiegend ehrenamtlich betriebene ‚Sozialstation‘ liegt für Außenstehende weitgehend im Dunkeln. Sozialstation? Da denkt man eher an das Rote Kreuz, die Kirchen und an Wohlfahrtsorganisationen, nicht an den benachbarten Turnverein, die Wassersportgemeinschaft oder den Fußballclub. Von den Mitgliedern der Sportvereine, und das sind in Deutschland Millionen, werden die sozial-kulturellen Leistungen ihrer Vereine dagegen ganz hoch eingeschätzt: Nach der „Finanz- und Strukturanalyse“ des Deutschen Sportbundes ist z.B. die Bedeutung der sozialen Aufgaben der Sportvereine für sie in etwa gleich groß wie die des Wettkampfsports, also des Sporttreibens selbst. Deshalb also die Kampagnen des Deutschen Sportbundes wie z.B. „Sportvereine – für alle ein Gewinn“ und der Aussage ‚Das soziale Netz wird nicht nur die Politik geknüpft’.

Beginn auf der Hasenheide

 

Die soziale Offensive des Sports ist keine Public-Relations Erfindung unserer Zeit oder der Nachkriegsgeschichte. Schon 1811 bei Turnvater Jahn auf dem Turnplatz der Berliner Hasenheide gab es neben dem Erlernen der Turnübungen die ersten ’sozialen Klimmzüge‘, Durch eine für alle gleiche Sportkleidung trat der Unterschied zwischen Arm und Reich, adlig,  bürgerlich oder proletarisch zurück, zumindest auf dem Turnplatz, den man heute übrigens als einen ‚pädagogisch betreuten Abenteuerspielplatz‘ bezeichnen würde. Die Kinder der benachbarten Waisenhäuser hatten freien Eintritt, damit sich keiner ausgeschlossen fühlen musste. Diese von Jahn geprägten ’sozialpolitischen Grundsätze‘ fanden sich dann bei der Gründung des ersten Berliner Sportvereins, der Turngemeinde in Berlin, im Revolutionsjahr 1848 wieder: Vereinsziel war neben dem Angebot von Leibesübungen ’sich um geringere Mitturner, um Schwächere, minder Gewandte redlich zu bemühen’. Also ein früher Beginn der heutigen „sozialen Offensive“ des Sports, und das bereits vor 150 Jahren in Berlin.

 

Sport in der Großstadt

 

Im Industriezeitalter Berlins mit Fließband- und Kinderarbeit, Mietskasernen und dunklen Hinterhöfen leisteten die Sportvereine tagtägliche Sozialarbeit. So erfolgreich, dass 1911 durch den „Jugendpflegeerlaß“ – der Geburtsstunde der Jugendhilfe und des späteren Jugendwohlfahrtsgesetzes – auch andere Organisationen verpflichtet wurden, sich um Kinder,  Jugendliche und sozial schwächere Familien zu kümmern, „um den Turn- und Sportvereinen die Betreuung der heranwachsenden Jugend nicht mehr allein zu überlassen“. So steht es jedenfalls in den Protokollen des Preußischen Landtages. In den zwanziger Jahren wurden die gesellschaftspolitischen Aufgaben der Sportvereine, egal ob bürgerlich, sozialistisch oder konfessionell beeinflusst, in der Großstadt immer wichtiger: Die Sportvereine arbeiteten mit ihren Jugendabteilungen in den überall entstandenen ‚Ausschüssen für Jugendpflege‘ mit, sie kümmerten sich um die Volksgesundheit und standen Pate bei reformpädagogischen Projekten, wie der Errichtung von Volkssportanlagen, z.B. in den Rehbergen, im Friedrichshain, am Tempelhofer Feld und in der Jungfernheide sowie den Gartenstädten in Spandau, der Hufeisensiedlung und der Weissen Stadt. Die große Masse der Berliner Sportvereine war Zuflucht für die Kriegsheimkehrer und das immer größer werdende Heer der Arbeitslosen: Gerade die Sportvereine hielten ihre sozialen Kontakte in einer schwierigen Lebenssituation aufrecht. Die Nationalsozialisten nutzten die sozialen Kräfte der Sportvereine für ihre Zwecke aus und verbanden sie mit dem Sport der Hitlerjugend und der Zwangsgewerkschaft ‚Kraft durch Freude‘. Auch in der DDR wurde ein staatskonformer Schulterschluss zwischen DTSB, FDGB und FDJ und der dadurch weitmöglichsten Erfassung aller Sporttreibenden vollzogen.

 

Sport als Sozialhelfer im zerstörten Berlin

 

Im zerstörten Berlin kam es wenige Monate nach der Befreiung vom Faschismus zu den ersten Sportveranstaltungen. Kinder und Jugendliche mussten durch Jugendnoteinsätze vor Bandenbildung und Kriminalität bewahrt werden. Jugend-Erziehung stand ganz vorn auf dem Re-Education-Programm der Alliierten. So waren die sozialen Aufgaben des Sports nicht nur als Lebenshilfe, sondern Überlebenshilfe gefragt. Durch Groschenbeiträge innerhalb des Kommunalsports wurden tausende von Kindern und Jugendlichen, Arbeitslosen und Heimatvertriebenen das Sporttreiben ermöglicht. Mit der Zulassung der Sportvereine und der schrittweisen Auflösung staatlich bestehender Freizeit- und Erholungsprogramme ging die Trägerschaft des Sporttreibens wieder an die sich immer stärker emanzipierenden Sportvereine über. Sie bildeten die Basis der neuen ’sozialen Offensive‘, die Sportvereine entwickelten sich zu einer der modernsten Gesellschaftsgruppen der Bundesrepublik.

 

Sport ist Jugendpflege

 

Ein wichtiger Motor dieser Offensive und  der sportlichen Sozialarbeit  überhaupt war und ist die Sportjugend. Der evangelische Sportpfarrer bezeichnete sie einmal als „das soziale Gewissen des Sports“. Sie musste ihre soziale Kompetenz in Berlin allerdings  erst beweisen, ehe sie in den Kreis der förderungswürdigen Träger der Jugendwohlfahrt aufgenommen wurde und 1954 Mitglied des Landesjugendringes – der damals ein Monopol auf Jugendarbeit hatte – werden durfte. Bei den anderen Jugendverbänden, den Wohlfahrts- und Gewerkschaftsorganisationen wirkten die Erinnerung an die NS-Zeit und deren Überbetonung des Sports in der Erziehung der Jugend negativ nach. Auch stellte man wegen der hohen Mitgliederzahlen der Sportjugend und der befürchteten Umverteilung der Mittel den „Sport als Jugendpflege“ in Frage. Mit der Ausbildung von Jugendleitern neben Trainern, preiswerten Erholungsangeboten in Zelt- und Ferienlagern, Sportangeboten für Flüchtlingskinder fasste eine sozialintegrative Jugendarbeit im Sport Fuß. Seit den seit 1951 bestehenden ‚Arbeitsgemeinschaften‘ der Sportjugend in den Bezirken und die Mitgliedschaft von Sportjugend-Vertretern in den Jugendwohlfahrtsausschüssen und um Landesjugendwohlfahrtsausschuss (heute Landesjugendhilfeausschuss) hat die LSB-Jugendorganisation ihr Ohr an allen wichtigen Entscheidungen der Berliner Jugend- und Sozialpolitik.

 

Soziale Offensive – bundesweit

 

Der Deutsche Sportbund und die Deutsche Sportjugend stellten 1966 in der „Charta des Deutschen Sports“ ausdrücklich die Bedeutung der sozialen Funktionen des Sports für eine moderne Gesellschaft heraus. Die Initialzündung der eigentlichen „sozialen Offensive des Sports“ folgte 1972 in Berlin beim Bundestag des Deutschen Sportbundes, der sich erstmals gezielt der Herausforderung durch die „Randgruppen der Gesellschaft“ annahm und aktive Lebenshilfe für benachteiligte Menschen  in den Mittelpunkt stellte. Das vom DSB beim Bundestag verkündete Programm „Sport für Alle“ bekam dadurch eine weit reichende sozialpolitische Bedeutung mit erheblicher Sprengkraft. Dieses „Sport für alle“ bedeutete jetzt nicht nur Mitgliederwerbung für den Vereinssport, sondern auch Sport für Schwächere, Drogengefährdete und Straffällige. Also jene, die bisher nicht unbedingt den Weg in die Vereine gefunden hatten. Zum Beispiel junge Leute mit Tätowierungen, grün-orange gefärbten Haaren oder jenen, die Knasterfahrungen hatten oder durch Gewalttätigkeiten aufgefallen waren. Hinzu kamen die Sportangebote an bisher vernachlässigte Zielgruppen, z.B. für Mädchen und Frauen, für Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen, für Ausländer und deren Kinder. Die Sportvereine holen sie inzwischen von der Straße, Wenn auch nicht alle Sportvereine dabei sind, so werden es doch immer mehr. Vereine, die diese Jugendkulturen integrieren oder sich an Modellen der Jugendsozialarbeit des Sports beteiligen. Wenn es nicht geschieht, so liegt es in erster Linie an fehlenden ehrenamtlichen Mitarbeitern oder deren Überforderung, weniger an Ablehnung oder Reform-Unwillen. Dem Mangel an qualifizierten „Streetworkern“ helfen immer mehr im Vorfeld der Sportvereine entstehende Projekte ab, die diese sportsozialen Aufgaben bei schwierigen Zielgruppen mit hauptamtlicher Unterstützung übernehmen. Wichtig ist hier, dass dieses alles unter dem Dach der Sportorganisationen erfolgt und die Sozialprojekte des Sports nicht kommerziell und in Konkurrenz zu den Ehrenamtlichen durch Wohlfahrtskonzerne und Kapitalgesellschaften „vermarktet“ werden. In Berlin ist das bisher sehr gut gelungen.

 

Die Integrationsleistungen des Sports

 

Dass dieses ‚Neue Miteinander‘ im Berliner Sport klappt, zeigt die gelungene, wenn auch nach wie vor schwierige Integration ausländischer Mitbürger. Mit 500 Kindern aus Gastarbeiterfamilien wurde 1972 nach dem DSB-Bundestag begonnen, inzwischen betreuen die Berliner Sportvereine mehr als 12.000 Kinder und Jugendliche ausländischer Nationalität, vor allem Türken. Diese Zahlen liegen in der Praxis höher, erfassen doch viele Vereine ihre ausländischen Mitglieder erst gar nicht in der jährlichen Sportstatistik. Die ehemals ausländischen Kinder und Jugendlichen schicken inzwischen in zweiter und dritter Generation ihre längst in Berlin geborenen Kinder in die Sportvereine. Ohne türkische Namen sind Sportarten wie Fußball, Boxen und Ringen nicht mehr denkbar.

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Mit der Einsetzung einer ad-hoc-Kommission und der 1983 erfolgten Gründung des ‚Landesausschusses Ausländersport‘ hat der Landessportbund Berlin sich speziell der Sorgen und Probleme der Integration der neuen Mitglieder angenommen. Ein Bohren dicker Bretter, gab es doch schwierigste Probleme zu lösen, bei denen sich der LSB oft der politischen Hilfe des Senats und dessen Ausländerbeauftragten, Barbara John, versichern musste. Einmal den finanziellen Anschub der Vereine, die von türkischen Kindern fast überlaufen wurden, dann die Harmonisierung der Wettkampfbestimmungen auf Teilnahme von jungen Leuten nicht-deutscher Staatsangehörigkeit, die Aufklärung der Eltern sowohl der deutschen als auch der ausländischen Kinder. Schließlich politische Probleme der Heimatländer, etwa ethnische Auseinandersetzungen zwischen  Türken und Kurden, oder ideologischem Streit zwischen Rechten, Linken, Fundamentalisten. Auch der Versuch der türkischen Regierung, einen eigenen Türkischen Sportbund zwecks Kontrolle ihrer Staatsbürger zu gründen. Letzterer Vorgang konnte erst nach 10 Jahren mit der Auflösung des TSB abgeschlossen werden. Unterstützt wurde diese Arbeit neben der Sportjugend vornehmlich auch vom Fußballverband, der mit seinen während der „Woche des ausländischen Mitbürgers“ veranstalteten Integrationsturnieren „Sport miteinander – Fußball macht’s möglich“ erfolgreich an die Öffentlichkeit trat. Unter dem Vorsitz von Manfred von Richthofen, Peter Hanisch und zuletzt Horst Lindner hat der LA Ausländersport erfolgreiche Arbeit geleistet. 1989 wurde er aufgelöst, die Hauptarbeit war getan. Stützen der heutigen Integrationsarbeit sind die über Berlin hinaus bekannten Jugendeinrichtungen der Sportjugend, so der 1977 gegründete und 1980 mit der Theodor-Heuss-Medaille ausgezeichnete Deutsch-Türkische Kindertreff (DTK) und der Sportjugendclub am Mariannenplatz. Der zwischen der türkischen Regierung und dem Senat 1983 begonnene und seit 1984 an die Sportjugend Berlin übergebene „Deutsch-Türkische Sportjugendaustausch“ hat im Leistungs- und Breitensport bisher 19 Begegnungen in der Türkei, in den letzten Jahren hauptsächlich auch mit der Berliner Partnerstadt Istanbul, ermöglicht. Höhepunkte waren die erste Fußballbegegnung 1984 in Istanbul, Izmir und Isperta, die auch durch den früheren Nationaltrainer Jupp Derwall sehr unterstützt wurden, der Aufenthalt der Sportwerbegruppe 1999 in Ankara und Nord-Zypern und zum zwanzigjährigen der Besuch der Tanzsportjugend mit der Formation vom TS Allround in Istanbul und Kusadasi. Die letztjährigen Begegnungen der weiblichen Volleyballjugend helfen dem türkischen Verband, der gerade in Istanbul fundamentalistischen Strömungen gegen den Mädchen- und Frauensport begegnen muss.

 

Bunte Aufgabenvielfalt der sportlichen Sozialarbeit

 

Weitere Schwerpunkte in der Sozial- und Integrationsarbeit kamen hinzu: So die Ausbildung von Übungsleitern für eine Tätigkeit in den Strafanstalten, die Anstellung von Arbeitslosen in Programmen der Arbeitsförderung bis hin zur Gründung einer eigenen Qualifikations- und Beschäftigungsgesellschaft, der Sport für Berlin gGmbH, die vornehmlich nach dem Beitritt der neuen Bundesländer vielen hunderten von Trainern, Sportlehrern und Sportwissenschaftlern Unterstützung und Anstellung in Projekten des Freizeitsport, vornehmlich der Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit geben konnte und gibt. Auch die Betreuung von Kindern aus Aussiedlerfamilien war seit 1978 wie schon einst nach 1945 ein Thema des Sports. Das Bundesprogramm „Sport mit Aussiedlern“ hat inzwischen ein großes Netz von Sportmöglichkeiten in Berlin aufgebaut, an dem sich mehr als 50   Stützpunktvereine regelmäßig beteiligen. Die Sportmobile des in den letzten Jahren verkleinerten Teams sind in ganz Berlin bekannt. Die Bundesregierung hat diese Tätigkeit 1994 durch die Medaille in Gold und 1997 noch einmal durch eine Medaille in Silber anerkannt.

 

Sonderprogramm „Jugend mit Zukunft“

 

Neue Aufgaben hat der Berliner Sport 1993 durch die Beteiligung der Sportjugend Berlin am größten Anti-Gewalt-Programm übernommen, das jemals von einer Landesregierung aufgelegt wurde. Im Rahmen des jährlichen 100-Millionen-Programms ‚Jugend mit Zukunft‘ sind neben einer großen Ehrenamtskampagne und der Vereinsförderung „Aufbau Ost“ in beiden Teilen der Stadt 35 Jugendeinrichtungen und Projekte entstanden, die außerordentlich erfolgreich arbeiten und 1997 in der Hauptsache vom Verein für Sport und Jugendsozialarbeit als Trägerverein übernommen wurden. Die so entstandenen SportJugendClubs und Mädchensportzentren,  die Mobilen Teams Freizeitsport, Streetball und Erlebnisräume stehen für eine neue Sozialarbeit des Sports und leiten derzeit auch einen Paradigmenwechsel in der alten Sozialarbeit ein. Ein 1999 geschlossener Kooperationsvertrag zwischen der Sportjugend Berlin und der Alice-Salomon-Fachholschule für Sozialpädagogik und Sozialarbeit ist sichtbarer Ausdruck. Die Möglichkeiten und Leistungen der Jugendabteilungen der Sportvereine, die in Berlin gesetzlich Träger der freien Jugendhilfe sind, rücken damit auch immer stärker in den Mittelpunkt kommunaler Interessen und Kooperationen in der Jugendhilfe. Von den Sportvereinen wird erwartet, diesen Ansprüchen auch qualifiziert zu genügen, was für viele Vereine eine Herausforderung und Überforderung darstellt, da nicht unbeschränkt für alle Aufgaben Ehrenamtliche verfügbar sind.

 

Nationale Konzepte gegen Gewalt

 

Anspruchsvolle Inhalte der Jugendsozialarbeit werden in den ebenfalls weit über Berlin hinaus bekannten Projekten in enger Zusammenarbeit mit örtlichen Sportvereinen vermittelt: So dem im Rahmen des Nationalen Konzeptes „Sport und Sicherheit“ entstandenen Fan-Projektes Berlin und seiner für den Amateurfußball immer wichtigen Arbeit der Beratungsstelle für Fairness und Toleranz. Letztere widmet sich speziell in letzten Zeit vermehrt auftretender Gewalt zwischen jugendlichen Fußballspielern, deren Eltern und den Zuschauern bei und im Umfeld von Fußballspielen. Ein neues gemeinsam mit dem Berliner Fußball-Verband und einer Sonderkommission „Gewalt“ des LSB-Präsidiums entwickelten ‚Präventionsmodell Berliner Jugendfußball‘ soll Hilfestellung geben und wird derzeit vom Landessportbund und der Sportjugend politisch vorangetrieben.

 

Fußball ist auch ein wesentlicher Bestandteil des einzigen Sportprojektes im „Aktionsprogramm gegen Aggression und Gewalt“ (AgAG) der Bundesregierung, das 1991 durch die Sportjugend Berlin vom früheren Ministerium für Jugend und Sport der DDR übernommen wurde. Es arbeitet im Sportjugendclub Lichtenberg vornehmlich mit rechtslastigen Jugendlichen und kann auf international beachtete Erfolge verweisen.  Es wird unterstützt durch das mit den Vereinen entwickelte Programm der ‚hinausreichende Jugendarbeit‘ in Lichtenberg, welches auch Russland-Aussiedler in Sportgruppen integriert.

 

Nicht zu vergessen ist ein weiteres Vorzeigeprojekt „Kick – Sport gegen Jugenddelinquenz“, das inzwischen in 10 Standorten vertreten ist und kleine Bagatelltäter und Jugendliche, die unter Langeweile leiden, anspricht, sportpädagogisch betreut, in Sportvereine vermittelt oder auch ’nur‘ bei Streetball-Nights von der Straße holt. Bemerkenswert ist, dass hier erstmals eine Zusammenarbeit mit den Polizeibehörden stattgefunden hat, die inzwischen auch von der etablierten Jugendhilfe in Ansätzen nachvollzogen wird. Das Kick-Projekt hat inzwischen auch einen – selbständigen – Ableger in Brandenburg und ist dabei, über die Innenministerkonferenz hinaus auch in Europa bekannt zu werden. Es ist bedauerlich, dass erst 1990 die Bedeutung des Sports als ein mögliches Mittel gegen Jugenddelinquenz und Jugendkriminalität in Berlin erkannt wurde, obwohl seit Jahrzehnten positive Berichte vornehmlich aus den USA über die Bedeutung gerade des Sports bekannt waren.

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Die zuletzt genannten Projekte zeigen die wachsende Bedeutung der sozialen Funktionen des Sports in vielen Bereichen unserer Gesellschaftspolitik. Wenn auch nicht alle Sportvereine sofort ähnliche Angebote in ihrem Programm haben, so zeigt es doch die Möglichkeiten, die von ihnen ergriffen werden können. Das die Hälfte aller Berliner Sportvereine sich der Integration ausländischer Mitbürger widmet, das mehr als 150 Kooperationen mit den Sportjugendclubs und mobilen Teams haben, 50 als Stützpunktvereine mit dem Aussiedlerteam zusammenarbeiten und ca. 30 mit Kick an den Standorten kooperieren, zeigt die Bedeutung dieser Arbeit im Kontext zum herkömmlichen Leistungs- und Breitensport.  Durch neue Trendsportarten wie Streetball und Inline-Skating werden neue Jugendkulturen erreicht und zu Teilen in die Sportvereine vermittelt. Der Behindertensport und der Gesundheitssport gehören ebenfalls zum sozialen Netz, das der Sport in Berlin knüpft.

 

Der Dichter sei am Schluss dieses Beitrages bemüht. Joachim Ringelnatz schrieb einmal in seinen Turngedichten: „Sport stärkt Arme, Rumpf und Beine, und er schützt uns durch Vereine, vor der Einsamkeit“. Stimmt, im Verein ist man nicht einsam sondern findet Freunde zum Miteinander. Wenn diese soziale Aufgabe des Sports weiter wahrgenommen wird, dann ist der Sportverein auch im nächsten Jahrhundert noch ‚in’.

 

 

Beitrag aus:

Sportmetropole Berlin – Werden und Wachsen.

Ein Lesebuch  zum 50. Gründungsjahr des Landessportbundes Berlin 1999.

Band 9 der Reihe ‚Sporthistorische Blätter’ des Sportmuseums Berlin und des Forums für Sportgeschichte.

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