Vor 60 Jahren: Meine Erinnerungen an den Mauerbau am 13. August 1961.

 

Der Mauerbau am 13. August 1961 ist mir in bleibender Erinnerung: Nicht nur, dass unsere Familien auf Jahrzehnte getrennt wurden, sondern das auch der Berliner Sport im ausbrechenden „Kalten Krieg“ immer mehr Schaden nahm und viele Freundschaften vergiftet wurden.

Am Tag selbst war ich im Sommerbad meines Vereins am Neuköllner Schifffahrtskanal, Sport treiben, Erholung und Faustballspielen auf dem „Platz an der Sonne“ waren angesagt. Ein Turnfreund brachte mehrere Extrablätter der „Berliner Morgenpost“ mit, eines habe ich aufgehoben, genauso wie jenes des „Tagesspiegels“ vom plötzlichen Mauerfall. Einen Tag später, am Montag, dem 14. August 1961, war ich dabei, als die mit Maschinenpistolen bewaffneten Grenzer die Mauersteine hinter dem Sportplatz Maybachufer aufschichten ließen und ich meine Arme wegnehmen musste, weil die „Bauarbeiter der DDR“, so Walter Ulbricht, die nächste Schicht mauerten. Einer dieser Steine liegt in meinem Keller, ich habe ihn 28 Jahre später mitgenommen.

Quelle: BM für Gesamtdeutsche Fragen.

 

 

 

Als Jugendleiter und Vorsitzender der Neuköllner Sportjugend hatte ich 1959/60 beim Innensenator an einer Weiterbildung zum „Stadtführer“ teilgenommen. Der Pressereferent von Senator Lipschitz, der rührige Egon-Erwin Müller, leitete selbst die Ausbildung.  Aufgabe war es, anreisenden Sport- und Jugendgruppen West- und Ostberlin zu zeigen. Am Mikrofon des Busses kommentierte ich die Stalinallee und die damals noch stehende Sporthalle nebst Stalin-Denkmal. Der deutsche und französische Dom am Gendarmenmarkt – damals Platz der Akademie – lagen noch in Trümmern, die Fenster vermauert, Schuttberge vor den Kellerfenstern. Umfangreiches Informationsmaterial ‚über die Zone und den Sowjetsektor‘ lag bereit. Am 13.8. war diese Tätigkeit für mich beendet. Fortan gab es nur noch Fahrten entlang der Mauer. Hier ist mir der „Lautsprecherkrieg“ von beiden Seiten in Erinnerung, Egon-Erwin Müller war auch für das „Studio am Stacheldraht“ zuständig, das mit Riesen-Lautsprechern, Plakaten und nächtlichen Diaprojektionen den Ostteil und die Grenzer erreichen wollte.

Die Innenverwaltung informierte alle Stadtführer über die Modalitäten an den Grenzübergangsstellen (siehe Anlage, das Wort Zonengrenze wurde handschriftlich in Sektorenmauer berichtigt) und wies mit folgenden Worten auf eventuelle Besuchswünsche der westdeutschen Jugendgruppen nach Ost-Berlin hin:

Auf keinen Fall an der Grenze provozieren! Keine Fragen an die Grenzposten stellen und keine Antworten geben. Nicht zu dicht an die Mauer herangehen. Sofort Deckung nehmen beim Einsatz von Tränengas, Wasserwerfern oder Schusswaffen. Westberliner können nicht in den Ostsektor, da auf westberliner Boden keine ostsektoralen Dienststellen zur Ausstellung der Passierscheine geduldet werden. Ein Besuch westdeutscher Gruppen im Ostsektor ist nicht ratsam. Ihnen wird sofort ein Reiseleiter zugeteilt, der ihnen das zeigt, was sie gar nicht sehen wollen. Omnibusse werden zum russischen Ehrenmal in Treptow und zum Tierpark nach Friedrichsfelde geleitet. Es soll diesen Gruppen auch gesagt werden, dass sie nicht unnütz in den Ostsektor gehen. Wenn natürlich Verwandte dort wohnen, soll jeder nur mögliche Kontakt gepflegt werden. Bei Jugendlichen unter 21 Jahren ist aber darauf zu achten, dass eine schriftliche Genehmigung des Erziehungsberechtigen vorliegt. – Alle Jugendlichen darauf hinweisen, dass sie allein durch den Erwerb eines Passierscheines, Ostberlin als Hauptstadt der „DDR“ anerkennen, denn diese tragen den Kopf des Ministeriums für Inneres der „DDR“.

Soweit die Anweisungen für Stadtführer nach dem Mauerbau in typischer Sprache des kalten Krieges und mit DDR in Anführungszeichen.

 

 

Nach dem 13. August gab es für jährlich bis zu 500.000 Schülerinnen und Schüler aus dem übrigen Bundesgebiet einwöchige Klassenfahrten nach Berlin, die sogenannten „Berlin-Begegnungen“ des Bundes und der Länder. Ein gewaltiges Programm, mit mehr als 100 Gästehäusern und Massenquartieren – die Sportjugend war mit ihrem Gästehaus in der Kurfürstenstraße und dem Jugendhotel am Kaiserdamm dabei – sowie einer eigenen Behörde, dem Informationszentrum Berlin, gleich hinter dem Amerikahaus. Zwei im Ruhestand befindliche Fußballjugendleiter, Heinz Stach und Kurt Schulz, waren nebenamtlich bei der Sportjugend für die Betreuung dieser Gruppen tätig, wenn diese um Vereins- und Sportkontakte baten. Dazu kamen Ehrenamtliche und auch Honorarkräfte. Als Referenten waren u.a. Horst Dohm, später Bezirksbürgermeister von Wilmersdorf, und Günter Bock, langjähriger Staatssekretär für Jugend und Sport, im Team der Sportjugend eingesetzt. Zu den Berlin-Begegnungen kamen dann noch die großen Programme der „Sportreisen“, der „Sportler-Luftbrücke“, der „Päckchenaktion“ für ostberliner Vereinsmitglieder und in den achtziger Jahren der „Jugendsportreisen“ sowie in großer Zahl stattfindenden „Internationalen Begegnungen“ hinzu. 1990 war damit Schluss, die Stadt und der Sport waren durch die friedliche Revolution wieder „vereinigt“. Die Programme versiegten, Berlin war jetzt eine Stadt wie alle anderen, schließlich dann auch Hauptstadt. Das nach wie vor seit 1969 in Berlin stattfindende Bundesfinale von „Jugend trainiert für Olympia“ erinnert an bewegte Zeiten im Schatten der Mauer.

Nach 60 Jahren ist alles Vergangenheit. Persönliche Erinnerungen an die Mauerzeit, den Kennedybesuch, die Zusammenarbeit mit Horst Korber im Landessportbund Berlin (LSB), die Endlosdiskussionen im Landesjugendring (LJR), in der Landessportkonferenz (LSK) mit den Senatoren Ilse Reichel und Kurt Neubauer, meinen journalistischen Mentoren Erwin Heinold und Willi Knecht, regelmäßig innerhalb der Sportjugend auf Bundes- und Landesebene, schließlich dann auch mit der FDJ sind nicht vergessen, sie haben mich und eine ganze Generation von „Berlinern“ in der Sport- und Jugendpolitik geprägt.

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