Aus der Reihe SPORTGESCHICHTE(N)
Der Sport wandelt sich, Sportarten verändern sich, neue kommen hinzu. Sport wird für unterschiedlichste Zielgruppen vereins- und vereinsungebunden angeboten. Gesundheitliche und soziale Gründe werden immer wichtiger: Sporttreiben ist ein Hype, auch für das Gesundheitswesen. Nachdem sich der Staat für seine Fehler während der Pandemie entschuldigt hat, soll jetzt ein noch zu finanzierender Bewegungsgipfel an den Start gehen. Wir stehen vor der Zukunftsfrage, wie entwickelt sich der Sport weiter und welche Trends haben Bestand? Wer baut die für die Expansion, Integration und Inklusion in Zukunft erforderlichen Sportstätten? Ein Rückblick.
Neue Sportarten nach 1945
In einer durch den Krieg zerstörten Stadt, dem Verbot der NS-Sportorganisationen und Vereine, kam der Sport nur langsam auf die Beine. Die Alliierten waren Vorreiter und unterstützten den Kommunalsport durch eigene Angebote. Neben Fußball, Laufen und Schwimmen brachten ihre Instrukteure der Jugend neue Sportarten mit. So durch die Briten Cricket und Polo, aber auch verstärkt Hockey und Rugby. Von den Amerikanern gab es Unterricht in American Football, Base- und Softball, natürlich auch Basketball und Volleyball. Die Franzosen unterstützten Boule, Lacrosse und Squash, die Sowjets bemühten sich um Boxen und Sportakrobatik. Bei Veranstaltungen sorgten Cheerleader und Twirling-Majoretten für Stimmung. Man nannte es Public Diplomacy, Erziehung zur Demokratie und zum Fair Play durch Sport. Zumindest bei den West-Alliierten.
So trat der Sportverband Berlin 1949 mit den von seinen Verbänden und Vereinen betriebenen Sportarten in die Nachkriegsgeschichte der Stadt ein.
Die Anfangsjahre
Im Leistungssport der viergeteilten Stadt gab es große Anstrengungen, auf die internationale und olympische Bühne zurückzukehren. Überschattet von immer größer werdenden politischen Problemen zwischen West und Ost. Weitere Verbände traten in den fünfziger und sechziger Jahren bei: Badminton, Bahnengolf, Eissport, Fechten, Moderner Fünfkampf und Tanzsport. Separate Verbände gründeten sich für Judo, Karate und Kampfsportarten, Gewichtheben und Ringen trennten sich. Der Turnerbund ‚erfand‘ Trampolinturnen und Wettkampfgymnastik sowie entließ Volleyball in einen eigenen Verband. Handball wurde in die Hallen verlegt, während Fußball als Sommersportart draußen bleiben musste. Auch der Betriebssport sowie der Behinderten- und Gehörlosensport traten dem Sportverband bei. In Ost-Berlin gründeten sich Betriebssportgemeinschaften für den Massensport und Sportclubs für die Spitze. Im Westteil wartete das staatliche Freizeit- und Erholungsprogramm auf die Übernahme – subsidiär – durch expandierende Breitensportabteilungen der Vereine.
Die Trimm-Bewegung – eine Zeitenwende
Mit dem Anfang der siebziger Jahre verkündeten Aufruf „Trimm Dich durch Sport“ strömten Millionen von Sportbegeisterten in die Vereine. Sport für Alle, der „zweite Weg“ des Sports – neben dem Leistungssport – wurde eine einzigartige Erfolgsgeschichte. Auch bisherige Nur-Wettkampfvereine gründeten Breiten- und Freizeitsportgruppen für Kinder, Frauen und Senioren. Es war ein Meilenstein, als die ersten Fußballvereine die Frauen ihrer Spieler als eigene Gymnastikabteilung aufnahmen. Kein Zweifel: Eine Zeitenwende.
Modern in die siebziger und achtziger Jahre
Neue Trends begeisterten die Sporttreibenden und elektrisierten die Sportwissenschaft: Hula Hoop war eine Eintagsfliege, aber Aerobic unter Anleitung von Jane Fonda aus den USA brach alle Rekorde. Vor allem Frauen trieb es in die Hip-Hop-Kurse mit modischem Outfit. In der DDR nannte man das ‚Pop-Gymnastik‘, hier setzte die TV-Sendung „Medizin nach Noten“ aus dem SEZ dafür Maßstäbe. Volkshochschulen, Fitnessstudios und Wellness-Ressorts nahmen neben den Sportvereinen die Trends auf. Ein Selbstläufer, auch heute noch.
Die Nach-Wendezeit
In Ost und West ‚vereinten‘ sich 1989/90 auch die Sporttrends. Staatliche Hilfen und das Berliner Programm „Jugend mit Zukunft“ katapultierten den Sport in das neue Jahrtausend. Neue Bewegungsräume in der Stadt, BMX-Parcours, Skaterrampen und Klettertürme entstanden und wurden zuerst zögerlich, dann begeistert von den Sportorganisationen angenommen und bespielt. Die Streetball-Bewegung aus den USA eroberte die Stadt und entwickelte eine neue Jugendkultur im Basketball. Mit den School-Finals revolutionierte sie auch den Schulsport und machte Berlin zur Hauptstadt des Straßensports. Auch der Fußball setzte auf die neue Bewegung und präsentierte sich zur WM in Berlin, während sich Streettennis nicht durchsetzte. Auch auf Sand wurde gespielt: Beach-Volleyball boomte und Beach-Handball begeisterte. Hockey, Fußball und Badminton implementierten ebenfalls den Beachsport. Der Hype der alten Sportart „Nordic Walking“ fand weltweit Aufnahme. Gleich mehrere Verbände beanspruchten Geburtsrechte: Leichtathletik, Skilauf, Turnen und Wandern. Die ersten beiden Bände der LSB-Reihe zur Sportentwicklung wurden dazu herausgegeben. Auch das IOC hat inzwischen Trends für Tokio und Paris für „olympisch“ erklärt, so Klettern, Skateboard, Surfen und Breakdance.
Mit dem Einstieg der Krankenkassen in den Gesundheitssport entstand ein neues Standbein der Vereine. Kurse vor und nach Herzinfarkt, ja jede Art von Prävention gegen Volkskrankheiten wird mittlerweile Standard. Hinzu kamen und kommen immer neue Trends, mitunter auch dauerhaft. Bei den Akademien der Turnfeste und des Turn- und Freizeitsportbundes werden bis zu 60 neue und unterschiedliche Angebote und Sportdisziplinen unterrichtet, von Aerobic bis Zumba. Auch ein expandierender Markt außerhalb der sich wandelnden und immer moderner, integrativer und nachhaltiger werdenden Vereine etabliert sich. Wer kann, der darf. Sport als beste Medizin und lebenslanger Begleiter. Ein Stück „Zukunft“.
Langfassung