Bildende Kunst auf den Stadion-Terrassen.

Haus des Sports an der Jesse-Owens-Allee:

Bildende Kunst auf den ‚Stadion-Terrassen’ am Berliner Olympiastadion

 

Seit der Eröffnung der ständigen Ausstellung des Deutschen Historischen Museums am Maifeld des Olympiastadions (Glockenturm), Ausstellungen des Sportmuseums Berlin im Lichthof des Deutschen Sportforums und der Fertigstellung des ‚Geschichtspfades’ ist das Berliner Olympiagelände der Spiele von 1936 auch für kunst- und zeitgeschichtlich interessierte Besucher eine spannende Adresse geworden. Die Planungen eines ‚Hertha-Museums’ im Stadion werden ebenfalls von immer mehr Fans und nicht nur Fußballbegeisterten verfolgt. Für 2017 ist die Eröffnung des Ausstellungszentrums des Sportmuseums unter dem Glockenturm des Maifeldes vorgesehen.

Zum ‚Olympiapark Berlin’ gehören im südlichen Bereich – am Coubertinplatz und der Jesse-Owens-Allee gelegen –  die noch zur  Kaiserzeit angelegten ‚Stadion-Terrassen’ mit dem Berliner ‚Haus des Sports’, Sitz des Landessportbundes und der Sportjugend Berlin. Ein Blick zurück in die Historie und auf die noch vorhandene ‚bildende Kunst’ lohnt sich auch an dieser Stelle.

 

Die 1909 für die Grunewald-Rennbahn angelegten sieben Terrassen sind in nördlicher Richtung unverändert vorhanden, in westlicher Richtung zum ‚Tunnelweg’ durch Waldgelände ersetzt, östlich durch eine neue 1934 angelegte Terrasse mit hoher Mauer zum Coubertinplatz abgeschlossen worden.  An das alte ‚Restaurant Waldhaus’ erinnert nur noch das Straßengeschoss mit dem jetzigen Restaurant, es wurde 1934/35 für die Olympischen Spiele dem Baustil des Stadions angepasst und in den fünfziger Jahren und schließlich ab 1984 in der jetzigen Form modernisiert. Am runden Erker zur Jesse-Owens-Allee ist noch das Relief aus der Zeit des Union-Clubs, des hochherrschaftlichen Rennbahnvereins, zu sehen. Es zeigt den Heiligen St. Georg als Drachentöter, ein in der Kaiserzeit gern gewähltes Motiv. Darüber befand sich bis in die dreißiger Jahre ein Fahnenmast.

 

Wenn man die große Freitreppe zum Haus des Sports emporsteigt kommt man zu dem zwischen Alt- und Neubau gelegenen Atriumhof. Mittelpunkt des Atriums ist neben zwei alten Platanen die seit 1986 dort aufgestellte Brunnenfigur „Eine Frage“ von Reinhold Böltzig. Die Bronzeskulptur – ein junges Liebespaar darstellend – wurde 1976 erworben und stand auf der Bastion Brandenburg der Spandauer Zitadelle, dem damaligen Sitz der Sportjugend Berlin. Mit deren Umzug in die Stadion-Terrassen wurde sie an den jetzigen Standort umgesetzt. Zuvor befand sie sich Jahrzehnte im verwilderten Garten eines schlossähnlichen Anwesens in Berlin-Zehlendorf.

Der Bildhauer Reinhold Böltzig wurde 1863 in Berlin geboren und studierte über ein Siemens-Stipendium an der Akademie zu Berlin von 1896 bis 1900. Die Brunnengruppe „Eine Frage“ wurde 1901 als eines seiner Hauptwerke geschaffen. Er bekam dafür die Silberne Staatsmedaille vom Künstlerhaus und Kunstverein Salzburg sowie auf der Weltausstellung 1904 in Saint Louis/USA die Bronzemedaille. Böltzig hatte sein Atelier in Berlin-Steglitz, war Mitglied der Jury der Berliner Kunstausstellung, wurde 1930 zum Professor ernannt und starb 1941. Einer seiner Nachfahren, Wolfgang V. Böltzig, lebt in Berlin (Ehrenamtlicher Mitarbeiter des Alliierten-Museums).

 

Prof. Dr. Peter Bloch, der langjährige Direktor der Skulpturenabteilung der Staatlichen Museen Berlin, schrieb in einem 1975 für den Senat und die Sportjugend erstellten Gutachten: „Für einen originalen Guss spricht bei der Berliner Bronze die gusstechnische Qualität des Werkes, die sich in der vorzüglichen Durchmodellierung und Ausführung der Metalloberfläche und der Details zu erkennen gibt. Sie unterstreicht und ergänzt die malerisch-erzählende Gesamterscheinung (Kontrast Körper-Fels) des Werkes in seiner geschlossenen Pyramidalkomposition, in der die beiden Figuren eine Quelle flankieren. Dieses Motiv, wie auch die einansichtige Ausrichtung des Figurenpaares verweisen auf die Bestimmung der Bronze als Brunnengruppe“. Prof. Bloch weist weiter darauf hin, dass von dieser Statue in der Gießerei Gladenbeck Berlin-Friedrichshagen nachweislich in zwei Größen verkleinerte  ‚Laden-Bronzen’ serienmäßig hergestellt wurden, die im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert allgemein üblich waren. Diese Phase der Berliner Plastik genoss nach Aussagen von Bloch unter den Zeitgenossen über die Grenzen Deutschlands hinaus hohes Ansehen und wurde in den letzten Jahrzehnten zu Unrecht minderbewertet.

Aus dem Jahre 1912 ist die Illustrierte Beilage zur Arbeiter-Turnzeitung „Moderne Körperkultur“ erhalten, die Bölzigs Skulptur auf der Titelseite zeigt.

 

Auf den Terrassen hinter dem ‚Haus des Sports’ befinden sich seit dem Europäischen Kulturjahr 1988 weitere bemerkenswerte Standbilder, die früher an anderen Stellen des ‚Reichssportfeldes’ standen und Kriegswirren und Einschmelzaktionen überlebt haben.

 

Auffällig ist die überlebensgroße Skulptur eines ‚Diskuswerfers’, die früher am Nordrand des August-Bier-Platzes stand. Die ca. 2,50 Meter hohe Bronzefigur wurde 1927 von dem Zigarettenfabrikanten Phillip Reemtsma der damaligen, von den Sportorganisationen getragenen und selbst finanzierten „Deutschen Hochschule für Leibesübungen“ gestiftet. Sie steht heute unter den großen Kastanien am Rande der oberen Terrasse des Haus des Sports.

 

Die Figur ist das Hauptwerk des 1930 mit 35 Jahren an einer Kriegsverletzung verstorbenen Berliner Bildhauers Wolfgang Schaper, Sohn des berühmten Bildhauers  aus der Kaiserzeit Fritz Schaper. Die  moderne Form der Darstellung des Diskuswurfes in Stand, Balance und Spannung, Drehung und Wurf  des Athleten stand im Gegensatz zu den späteren heroischen Plastiken der NS-Zeit, mit denen das Reichssportfeld ab 1936 geschmückt wurde. Der „Diskuswerfer“ von Schaper war in den zwanziger Jahren international bekannt und soll vor seiner Aufstellung im Deutschen Sportforum bei den Olympischen Spielen von 1928 im Amsterdamer Stadion gezeigt und in verkleinerter Form auch in der Kunstausstellung ausgestellt worden sein. Ebenfalls in Amsterdam wurde ein weiteres Werk von Schaper ‚Der Leichtathlet Otto Peltzer’ gezeigt. Uwe Hinkfoth hat sich 2003 in einem längeren Beitrag für die Zeitschrift „SportZeiten  – Sport in Geschichte, Kultur und Gesellschaft“ mit dem Leben Wolfgang Schapers und dessen Werk beschäftigt. Ihm verdanken wir auch den Hinweis, dass es sich offensichtlich beim Kopf der Skulptur mit den nach hinten gekämmten Haaren um ein Selbstbildnis des sportbegeisterten Wolfgang Schaper handelt. Ein Nachfahre von Wolfgang Schaper, Peter Schaper emigrierte nach dem KZ-Aufenthalt seiner Mutter 1946 in die USA. Eine Nichte des Bildhauers ist Frau Prof. Elisabeth Noelle-Neumann, die Gründerin und Direktorin der Allensbacher Meinungsumfrageinstitute.

 

Direkt auf der Hauptterrasse stehen die Abgüsse von zwei aus der Antike interenational bekannten Skulpturen: Dem Faustkämpfers des Apolonios und des Jungen Athleten, des sogenannten Schabers von Ephesus. Die Skulpturen waren 1936 in der Ausstellung  „Sport der Hellenen“ zu sehen und wurden danach im Vorraum des Kuppelsaales des Haus des Deutschen Sports aufgestellt.

Das Bronzebild des „Sitzenden Faustkämpfers“ wurde 1885 auf dem Quirinal von Rom gefunden und ist heute ein Mittelpunkt des Römischen Nationalmuseums im Palazzo Massimo. Mehrmals ist das berühmte Kunstwerk auf Reisen gegangen, es wurde u.a. in Bonn und Basel, zuletzt 2008 in der Rotunde des Alten Museums in Berlin gezeigt. Die überlebensgroße, auch als sitzender Boxer bezeichnete Skulptur ist durch unterschiedliche Legierungen, die auf dem Original aufgebracht wurden, eine Besonderheit der antiken Bildwerke. Mehr als 1.000 Abhandlungen haben sich bisher mit der Skulptur auseinandergesetzt, sie beschrieben, analysiert und sportlich eingeordnet. Die charakteristischen Schutzbänder und Schlagriemen zeigen, dass es im antiken Faustkampf blutig, wenn auch nicht immer tödlich zuging. Die seit 776 vor Christus überlieferten ersten Siegerlisten der Spiele in Olympia dokumentieren die Bedeutung und Berühmtheit der zum Teil namentlich bekannten Olympiasieger im Faustkampf. In der Internationalen Zeitschrift zur Geschichte des Sports STADION haben 1989 Wilfred Geominy und Stefan Lehmann sehr ausführlich die Bronzeskulptur des Faustkämpfers  beschrieben.

Die schräg gegenüber aufgestellte Skulptur des „Schabers von Ephesus“ – auch ‚Junger Athlet’ genannt – wurde 1896 auf dem Gelände des alten Hafengymnasiums von Ephesus von österreichischen Archäologen gefunden. Der aus 234 Fragmenten bestehende Fund wurde mehrmals von Wiener und internationalen Experten restauriert. Auch diese 1,92 Meter große Bronze wird europaweit gezeigt, zuletzt durch die Antikensammlung Berlin in Bonn. Sie zeigt einen jungen Athleten, der sich mittels eines Schabeeisens nach dem Wettkampf von Öl und Schmutz reinigt. Das Original steht im Ephesus-Museum von Wien, die Bronzekopie kam 1936 nach Berlin.

 

Noch nicht wieder aufgestellt ist eine im Depot befindliche Portraitbüste des 1920 berufenen, ersten Rektors der Deutschen Hochschule für Leibesübungen, Prof. Dr. August Bier. August Bier lebte von 1861 – 1949 und war einer der berühmtesten Chirurgen seiner Zeit.  Er erfand die Rückenmarkanästhesie und entwickelte im 1. Weltkrieg den ‚Stahlhelm’.

Man kann ihn als ersten deutschen Sportarzt bezeichnen, hielt er doch die Leibesübungen und die Hygiene besonders hoch, insbesonders als ‚Hippokratiker’ auch den Gesundheitssport für Kinder und Frauen.  Legendär ist seine Zeit als Chef der Chirurgie der Berliner Charité. Auch als ökologischer Landwirt und Forscher hat er sich einen Namen gemacht. Sein Mustergut in Sauen/Brandenburg wird heute von einer Stiftung betrieben, sein Wohnhaus ist Gästehaus der Berliner Kunsthochschulen. Mehrere medizinische Preise und Stiftungen erinnern an sein Lebenswerk, so auch die August-Bier-Plakette der Deutschen Sporthochschule. Sein Nachfolger wurde 1932 – auch als Rektor der DHfL – der bekannte Chirurg Prof. Dr. Ferdinand Sauerbruch. Beide erhielten von Hitler 1937 den Deutschen Nationalpreis für Kunst und Wissenschaft. Auch Biers Sohn Jürgen blieb im Fach, Prof. Dr. Jürgen Bier, einer der bekanntesten Unfall- und Wiederherstellungschirurgen Deutschlands ist 2007 in Berlin verstorben.

Die Portraitbüste von Prof. August Bier wurde von der Deutschen Hochschule für Leibesübungen in Auftrag gegeben und von dem in der Kaiserzeit – auch als Hofbildhauer von Wilhelm II – bekannten Bildhauer Walter Schott (1861 – 1938) ausgeführt.  Erst nach Ausscheiden Biers als Rektor 1932 konnte sie bezahlt werden und stand fortan im früheren ‚Haus des Deutschen Sports’ auf dem Deutschen Sportforum.

 

 

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