Auf Augenhöhe: Der Sport und die Berliner Bevölkerung.

Aus „Sportgeschichte(n)“ zur 75 Jahrfeier des LSB Berlin

 

Mit der Gründung unseres Verbandes vor 75 Jahren entstand ein gesellschaftliches Netzwerk, das die Berlinerinnen und Berliner zusammenhält und bei Großveranstaltungen, Internationalen Wettkämpfen und Demonstrationen in den Bann zieht. Das passiert auf den Straßen, Plätzen und Sportstätten der Stadt. In Augenhöhe im Kiez, den Stadtteilen und den Zentren der Hauptstadt.

Mit der Rückgabe des Olympiastadions trat der Berliner Sport 1949 wieder an die Öffentlichkeit. Ein Jahr zuvor gelang es dem Pressewart des Sportverbandes und Sportfunkleiter Alfred Klapstein, im Stadion mit Hilfe der West-Alliierten „Allgemeine Jugendspiele im olympischen Geist“ zu veranstalten. 18.000 Jugendliche aus den Bezirken West- und (noch) Ost-Berlins qualifizierten sich in der Leichtathletik, im Schwimmen, Handball und Fußball für das Finale. Als „Rias-Olympiade“ gingen sie in die Geschichte ein. 21 Jahre später folgte an gleicher Stelle das erste Bundesfinale von „Jugend trainiert für Olympia“.

 

Die Medien im Nachkriegs-Berlin berichteten von den Großveranstaltungen und Wettkämpfen im Olympiastadion: Vom Stadionfest der Berliner Schulen, dem ausverkauften Polizei-Sportfest, dem ISTAF, den Länder- und Endspielen im Fußball, von Weltmeisterschaften und Turnfesten. Dazu kamen Box- und Turnwettkämpfe in der WaIdbühne. 60.000 Sportinteressierte kamen 1951 ins Stadion, um Jesse Owens und die Harlem Globetrotters zu begrüßen. Ihre Verbundenheit mit dem Westteil der Stadt bekundeten die Athleten der Bundesrepublik bei den 1952 stattfindenden „Vorolympischen Festtagen“ im Stadion und in den Messehallen. Als Beitrag zur Kultur präsentierte sich der Sport gleichzeitig bei der „1. Deutschen Sport- und Gesundheitsausstellung“ unter dem Funkturm. Große internationale Ausstellungen folgten, 1967 „Die Frau in unserer Zeit“ und ab 1970 jährlich die Boots- und Freizeitschau, die sowohl dem Spitzensport als auch dem Breitensport und der anrollenden Trimm-Bewegung Raum gab. Eine Premiere war auch 1972 das 1. Umweltfestival im Olympiastadion. Schwarzer Rauch quoll aus der Flammenschale, als der DSB-Präsident den mit Gasmasken angetretenen Aktiven des olympischen Jugendlagers ihre Urkunden im Hindernislauf überreichte. Es war zuvor Smogalarm ausgerufen worden, die Show nannte sich – vorausschauend – „Sport 1980“.

Der Olympische Platz war Ausgangs- oder Endpunkt der Volksläufe von „Trimm Dich durch Sport“, so des vor 50 Jahren 1974 gestarteten 1. Berlin-Marathons, des Franzosenlaufs 25-km de Berlin und der Frauenläufe. Höhepunkt war 1990 der „Marathonlauf der Einheit“ durch das Brandenburger Tor.

Nicht vergessen seien die Meisterschaften der Behinderten, so der Para-Leichtathletik-WM 1994 und der Special Olympics World Games 2023. Dass die Weltmeisterschaften im Schwimmen, Bogenschießen, Fußball und der Leichtathletik Berlin bewegten, ist vielen noch in Erinnerung.

 

An den großen Stadtfesten der letzten 75 Jahre war der Sport ebenfalls ganz vorn beteiligt. 100.000 Berlinerinnen und Berliner fanden sich am letzten Tag vor den Sommerferien auf dem „Platz der Republik“ vor dem Reichstagsgebäude zu „Mit Rias in die Ferien“ ein. Sport und Spiel standen von 1976 bis 1980 dort im Mittelpunkt und luden die Bevölkerung in die Vereine ein. Mehr als 400.000 Besucher folgten 1990 dem Aufruf des Landessportbundes, der Sportjugend und 200 großen Wirtschaftsunternehmen aller Branchen aus den alten Bundesländern, sich beim „1. Kinder- und Jugendfestival“ in der wiedervereinten Stadt zu präsentieren. Das geschah eine Woche lang im Sportforum Hohenschönhausen, das zu DDR-Zeiten für die Bevölkerung verschlossen war. Weitere Festivals des mit dem LSB verbundenen Trägervereins „Juventus“ mit bis zu 100.000 Besuchern folgten, in den letzten Jahren über vier Tage oder an Wochenenden, auch im Reiterstadion und dann vorwiegend im Olympiapark. 2010 wurde daraus „Sport im Olympiapark“ und schließlich unser heutiges Familien-Sportfest.

Wer zählt die vielen Trimm-Festivals und Sportabzeichen-Events, die vom DSB/DOSB in Berlin veranstaltet wurden? Erinnert sei an die größte „Sitzschlange der Welt“, moderiert 1979 von Frank Elstner im Volkspark Rehberge. Zum Europäischen Kulturjahr 1988 kamen 40.000 Besucher zum Kinderfest auf die Stadion-Terrassen und das Olympiagelände. Der Regisseur der „Spielstraße“ von München 1972, Frank Burckner, hatte diesen Event gemeinsam mit dem Senat, der Sportjugend und der von Dr. Strathus geleiteten Wirtschaftsinitiative „Impulse der 80-ziger Jahre“ gestaltet. Ein Höhepunkt im Leben unseres Verbandes und seiner Jugendorganisation.

Das der Berliner Sport auch bereit war, selbst auf die Straße zu gehen, zeigte er in der Zeit der Spardiktate vor und nach der Jahrtausendwende. So erinnern wir uns an die Demonstrationen auf dem Breitscheidplatz an der Gedächtniskirche, vor einzelnen Senatsverwaltungen und 1996 vor dem Roten Rathaus. Es ging um den Erhalt von Sportstätten und Schwimmbädern, einen neuen Flächennutzungsplan und dann entschieden gegen die Schließung von Jugendprojekten bis zum 1997 angekündigten Wegfall der gesamten Sportförderung. Letzteres führte zu einem Trauerrand von „Sport in Berlin“, einer Satirebeilage RatzFatz und der Begrüßung des Regierenden Bürgermeisters durch die Delegierten der LSB-Mitgliederversammlung mit „Quietschenten“ in Anlehnung an dessen bösen Spruch „Sparen bis es quietscht“. Auch diese Demonstrationen sind Teil der LSB-Geschichte. Genauso wie jene, in denen die Berliner Sportvereine von den Rathäusern der Bezirke am 1. Mai und 17. Juni zum Reichstag marschierten, um für Berlins Freiheit zu demonstrieren, vor dem Schöneberger Rathaus John F. Kennedy zu begrüßen oder sich gegen Fremdenhass und Ausgrenzung in Demonstrationszügen zu wenden. Herausragend hier die Beteiligung des Sports an der spontanen Demonstration nach dem Terroranschlag von Nine-Eleven im September 2001, an der 200.000 Berlinerinnen und Berliner in Solidarität zu den USA durch die City zogen. Der Berliner Sport war nicht unpolitisch und schon gar nicht „ein schlafender Riese“, was mitunter gesagt wurde.

Das Leben Berlins war und ist seit 1949 eng mit dem Sport als seiner größten Bürgerinitiative verbunden – das gilt auch erstmal weiter bis zur Hundertjahrfeier.

 

Erstveröffentlichung

in „Sport in Berlin“, Ausgabe 6 – 2024.

 

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