Fünf Meilensteine für 75 Jahre

Nun habe ich das dritte Mal an einer Jubiläumsschrift des Landessportbundes mitgearbeitet. 1974 war es eine klassische Festschrift, 1999 ein buntes Lesebuch mit Chronik und 2024 jetzt das flotte Puls-Magazin. Ich weiß nicht, was den Berliner Sport in 25 Jahren zum Hundertjährigen erwartet, auch wenn wir unsere Wünsche in einer Zeitkapsel und einem Tresor aus Stein bis zum Jahr 2049 versenken. Aber ich kann zurückblicken auf jene Steine, die wir in 75 Jahren am Wegesrand errichtet haben und die das Werden und Wachsen unseres Bundes maßgeblich beeinflusst und geprägt haben. Fünf von ihnen bringe ich hier in Erinnerung, stellvertretend und als Essenz der Jahre 1949 bis 2024. Plakativ und kurz, weniger detailliert, aber nicht kritiklos – bisherige und auch für die Zukunft wichtige Meilensteine.

 

1

 

Sport verbindet

Nach den Jahren von Diktatur und Krieg wurde 1945 der Sport gemeinsam in Ost und West aufgebaut. Von Bürgerinnen und Bürgern in unterschiedlichen politischen Systemen, aber den nach wie vor gültigen Regeln des Sports. Im Stadion Lichtenberg fand zwölf Tage nach der Kapitulation das erste Fußballspiel statt, die Zeitungen begannen mit einer regelmäßigen Sport-Berichterstattung, der Sport wirkte über Grenzen hinaus. Aus dem verordneten Kommunalsport entwickelten sich im Westteil unserer Stadt Sportvereine und Verbände. Im Ostteil wurde der Sport zentral zwischen Betrieben und staatlichen Leistungsträgern aufgeteilt, ein Bezug zum bürgerlich-liberalen Vereinssport vor 1933 – so wie in den Jahren des NS-Sports – war nicht erwünscht.

Wer erinnert sich heute noch der politischen Auswirkungen des kalten Krieges, ausgetragen zwischen und auf dem Rücken der Sporttreibenden in einem sich trennenden Land? Es liegt an der Generation Z, sich hier auf Forschungsreise zu begeben und der Sportgeschichte nachzugehen. In den sozialen Medien und auch (noch) in Büchern aus Papier wird sie umfangreich und vielfältig beschrieben. Das hat viel mit Politik und dem Wunsch nach Einheit und Demokratie zu tun. Jeder einzelne Sporttreibende kann da seine Erfahrungen und Erlebnisse erzählen, spannend, ereignisreich und aufmunternd, aber auch tragisch und voller Widersprüche. Der Sport hat die Menschen verbunden, über ihn können Generationen miteinander kommunizieren. Das wäre der erste Meilenstein aus meinem Metier und der Frage, was hat uns verbunden, welche Gemeinsamkeiten gibt es und was erwarten wir?

 

2

 

Wettkampf und Leistung

Der nächste Meilenstein betrifft den Leistungssport. Seine tragende Rolle im Alltagsleben der Sportvereine, das Antreten für Leistung und Wettkampf, Sieg und Niederlage, ein das Leben bestimmendes freiwilliges Training. Das beginnt in den Kinder- und Jugendabteilungen der Vereine und gehört auch in die Lehrpläne des Schulsports. Die Sportstars aus allen Ländern der Welt begeistern uns gerade bei den Olympischen Spielen und Paralympics in Paris.  Olympia ist nicht nur ein teures Medienereigniss, sondern ist Teil einer weltweiten Sportkultur, ein Aufruf zum Fair Play und Frieden in unruhigen Zeiten. Wettkampf und Leistung sind unser zweiter Meilenstein. Dazu gehört die Professionalität der Betreuenden, deren Ausbildung und Förderung – eine Riesenaufgabe. Ein Meilenstein, der nicht wackeln darf.

 

3

 

Tägliche Bewegungszeit

Der dritte Meilenstein stellt den Einzelnen in den Mittelpunkt, wie halte ich es persönlich mit dem Sport und meiner täglichen Bewegungszeit? Die Zahlen der Vereinsmitglieder geben Antwort, es werden immer mehr und immer weniger verharren bewegungslos. Die Trimmbewegung und der Freizeit- und Gesundheitssport bestimmen heute die Angebote der Vereine vom Vorschulsport bis ins hohe Alter. Das war ein langer, auch beschwerlicher Weg, den Sport in den Alltag und das Leben der Menschen zurückzuholen. Heute unbestritten und fast selbstverständlich. Da gibt es für unsere 2.500 Sportvereine noch viel zu tun, neue Ideen und Kooperationen sind gefragt. Sich täglich bewegen ist Daseinsvorsorge, das geht nicht ohne die Unterstützung der Politik. Ein aktuell neu zu setzender Meilenstein.

 

4

 

Alle werden mitgenommen

Dann der vierte Meilenstein eines Sports für wirklich alle, also für alle Geschlechter, Schwache und Starke, In- und Ausländer, Ausgegrenzte, Geflüchtete und Behinderte. Ohne Abstriche an Religion, Gesichtsfarbe, Herkommen und Lebensweisen. Wir nennen es Integration, Inklusion und Diversität. Unsere Jugendorganisation hat damit vor über 50 Jahren begonnen, als „soziales Gewissen“ des Sports. Heute sind das unsere gemeinsamen Basics bis hin zu den internationalen Organisationen. Wir verbinden diese gesellschaftliche Vielfalt mit den dringenden Zukunftsfragen des Erhalts unseres Planeten und nachhaltige Tätigkeiten im Sport. Auch ein Meilenstein, dessen Fundament immer wieder neu zementiert werden muss.

 

5

 

Ehrenamtliche

Beim Rückblick auf 75 Jahre füge ich einen fünften Meilenstein hinzu: Die Liebe zum Sport und die Lust zum Ehrenamt. Davon lebt der Sport seit Anbeginn. Wer die Freude und Begeisterung der 45.000 Volunteers bei den Olympischen Spielen und Paralympics in Paris erlebt hat oder sich der Special Olympics World Games in Berlin erinnert, der glaubt an die Zukunft des Ehrenamts. Freiwilligkeit bereichert das Leben der Bürgerinnen und Bürger. Wir können die Wertschätzung der Ehrenamtlichen persönlich fördern, indem wir täglich Erfreuliches über das Leben in unseren Vereinen weitergeben. Wir stärken dadurch die Freiwilligen und heben sie wie die Olympiasieger auf den ihnen zustehenden Podest. Das ist kein Wunsch für die Zeitkapsel, sondern eine Aufgabe für das Jetzt und Heute, zum Handeln und im sportlichen Sinne auch Kämpfen.

 

 

Erstveröffentlichung

in „Sport in Berlin“,

Ausgabe 05 – 2024

 

 

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