Vom 1. bis 5. Juli 1975 fand in Berlin (West) die 6. Gymnaestrada statt, eine der schönsten Veranstaltungen des Weltsports. Mit Vorführungen internationaler Turnverbände, von Universitäten und Hochschulen, Gymnastikschulen und Vereinsgruppen aus 36 Ländern. Die Vorführ- und Veranstaltungsstätten auf dem Berliner Messegelände, in der Deutschlandhalle und im Olympiastadion erlebten einen großen Publikumsandrang und führten zu begeisterten Berichten in den Zeitungen und Medien. 20.000 Gäste waren in die geteilte Stadt gekommen. Ein Wermutstropfen war die Absage der Ostblockstaaten, kaschiert wegen der Teilnahme Südafrikas, Israels und Taiwans. Ein Politkrimi im Ost-West-Geschehen der siebziger Jahre, auch heute noch eine spannende Geschichte.
Beim Weltturnfest kam es zu einer Sternstunde der Inklusion: 60 Studierende der TU München rockten gemeinsam mit behinderten Kindern, Jugendlichen und Senioren im Rollstuhl in den Messehallen und beim Finale vor 10.000 begeisterten Zuschauern in der Eissporthalle am Funkturm. Die unter dem schlichten Titel „Tanzen – Freizeitsport für alle“ angekündigten Auftritte leiteten einen Paradigmenwechsel ein. Behinderte mussten sich nicht mehr verstecken und separieren, sie konnten vor aller Öffentlichkeit ihre Freude am und beim Sport zeigen. Nicht-Behinderten spielten und tanzten mit ihnen gemeinsam. Die internationalen Medien aus fünf Kontinenten berichteten über diesen Höhepunkt der Gymnaestrada, ein Bann war gebrochen. Fünfzig Jahre später sprechen wir über Inklusion als einer der Kernaufgaben unserer Gesellschaft und erinnern uns eines gewaltigen Lernprozesses, der sich auch im Sport vollzogen hat.