Archiv für April 2023

Betrifft „Umbenennung der Jahn-Sporthalle und Abriss des Jahn-Denkmals“ in der Neuköllner Hasenheide.

Samstag, 01. April 2023

Zwei nicht beantwortete Schreiben an die Fraktionen in der Bezirksverordnetenversammlung von Berlin-Neukölln bezüglich der von den „Grünen“ und den „Linken“ gestellten Anträgen. 

Schreiben vom 14. Januar 2023 an die Fraktion der Grünen:

Sehr geehrte Damen und Herren,

fassungslos und mit Entrüstung habe ich von Ihrem Antrag an die BVV Neukölln erfahren, die Jahn-Sporthalle am Columbiadamm umzubenennen. Ihr Begründung, dass Jahn „ein extremer Nationalist, Rassist und Antisemit“ gewesen sei, entbehrt jedweder wissenschaftlichen Grundlage und ist ehrabschneidende Bilderstürmerei, also ideologischer Populismus. Wieso wenden Sie sich im Wahlkampf nicht den großen und lebenswichtigen Problemen unserer Stadt und des Bezirks zu und vergreifen sich an einer vor 200 Jahren aktiven Persönlichkeit, die international als Begründer der Vereinssportbewegung (immaterielles Weltkulturerbe) und als demokratisch gewählter Abgeordneter des Ersten Parlaments in der Frankfurter Paulskirche in die Geschichtsbücher eingegangen ist? Im historischen Kontext ist Friedrich Ludwig Jahn ohne Zweifel eine der widersprüchlichsten Personen der Zeitgeschichte, gelobt, verehrt, verdammt und verleumdet. Das können Sie auch im 2014 erschienenen biographischen Roman „Turnvater Jahn“ des Neuköllner Soziologieprofessors und Bestseller-Autors Horst Bosetzky nachlesen. Ich empfehle Ihnen da den Prolog vor dem Denkmal in der Hasenheide.

Ich bin 1941 in Neukölln geboren, seit 72 Jahren Mitglied des TuS Neukölln, und wurde 1969 vom Bezirksamt Neukölln für Verdienste im Sport und in der Jugendarbeit mit dem Bezirkswappen und der Ehrenurkunde ausgezeichnet. Ich kann mich gut daran erinnern, als im Juni 1961 die „Jahn-Sporthalle“ am Columbiadamm durch Bezirksbürgermeister Gerhard Lasson eingeweiht wurde. Sie wurde als eine der ersten Großsporthallen Berlins auf dem inzwischen städtischen Jahn-Sportplatz (früher Hindenburg-Sportplatz des TV Jahn 1865) errichtet. Anlässlich des Jubiläums „200 Jahre Turnbewegung – 200 Jahre soziale Verantwortung“ im Jahr 2011 hat das Museum Neukölln bei Karstadt am Hermannplatz eine vielbeachtete Ausstellung zur Hasenheide präsentiert und 2017 beim Internationalen Deutschen Turnfest hat Bezirksbürgermeisterin Franziska Giffey vor dem Jahn-Denkmal gesprochen und dessen Umgestaltung und die Aufstellung einer Gedenktafel gefeiert.

Das Jahn-Denkmal in der Hasenheide ist ein authentischer Ort unsere Geschichte und nicht nur für mich ein „Ankerpunkt“, sich mit jungen Menschen über Demokratie, Soziale Werte, Diversität und den flüchtigen „Zeitgeist“  im 21. Jahrhundert auseinanderzusetzen.

Mit freundlichen Grüßen, gez. Manfred Nippe

 

Schreiben vom 21. März 2023 an die Fraktionen der BVV Neukölln:

Sehr geehrte Damen und Herren,

anlässlich der am 22.3.23 stattfindenden Sitzung des Ausschusses für Grünflächen, Umweltschutz, Naturschutz und Klimaanpassung soll unter TO 5 über die Umgestaltung bzw. den Abriss des Jahn-Denkmals in der Hasenheide befunden werden. Die dazu angeführte Begründung „Mit Friedrich Jahn wird an herausragender Stelle im öffentlichen Raum ein Antisemit, Nationalist, Antidemokrat, Militarist und Antifeminist geehrt“ ist wissenschaftlich und politisch unhaltbar. Aktivisten/Aktivistinnen bedienen sich hier tradierter Narrative aus der NS-Zeit und völkischer Zuschreibungen aus dem 19. Jahrhundert in Österreich.

Der Präsident des Forums für Sportgeschichte, Herr Gerd Steins, eines Mitgliedsverbandes des Landessportbundes Berlin, hat ihren Fraktionen bereits im Januar dieses Jahres den 2022 erschienenen Band „Flegel, Sonderling und Turnvater. Vom Umgang mit Friedrich-Ludwig Jahn“ des wissenschaftlichen Symposiums von 2019 zugesandt, der derartigen negativen Zuschreibungen Jahns entgegentritt und sie als Fälschungen und Fake-News entlarvt. Dazu liegt ihnen auch ein Schreiben des TuS Neukölln 1865 vor.

Ich weise in diesem Zusammenhang auch auf die Politikerreden der Jahn-Feiern von 1952 (Ernst Reuter, Robert Lehr), 1961 (Willy Brandt, Ernst Lemmer), 2017 (Brigitte Zypries, Franziska Giffey) sowie die letzten wissenschaftlichen Veröffentlichungen von Bergmann, Bartmuss/Ulfkotte und Schulke hin, die auf die streitbare Person des Turnvaters im Laufe der Geschichte eingehen und dessen Verdienste um den Vereinssport und die internationale Sportbewegung hervorheben. Als gewählter Abgeordneter der Ersten Nationalversammlung von 1848 hat Friedrich-Ludwig Jahn sich für eine demokratische Verfassung, ein vom Staat unabhängiges Vereinsrecht und die Frauenemanzipation ausgesprochen. Das wird im April/Mai 2023 in der Frankfurter Paulskirche durch den Herrn Bundespräsidenten gewürdigt.

Es kann nur empfohlen werden, weiterhin den demokratischen Diskurs zu pflegen und auf parteiische Bilderstürmerei zu verzichten.

Mit freundlichen Grüßen, gez. Manfred Nippe

 

 

Wegmarken zu „Sport und Wirtschaft“

Samstag, 01. April 2023

SPORTGESCHICHTE(N) IN SPORT IN BERLIN

 

1949

Inmitten den Trümmern Berlins bauen Sportverbände und Vereine demokratische Sportstrukturen auf und werben Sponsorengelder bei örtlichen Handwerkern und Firmen ein. Zur Förderung des Sports und der Errichtung von Sportstätten stimmt der Magistrat der Gründung einer Sport-Toto-GmbH zu. Die erste Zuwendung von 20.000 DM wird auf 12 Verbände und 2 Vereine aufgeteilt. Der Schatzmeister des Sportverbandes Berlin, Heinz Henschel, schlägt vor, den zerstörten Sportpalast aus Totomitteln wieder aufzubauen.

1951

Heinz Henschel, bekannter Eishockeystürmer und jüngster Bankier Deutschlands, scheidet aus dem Vorstand des Sportverbandes aus. Für den Wiederaufbau des Sportpalastes hat sich die Henschel-Bank über Gebühr eingesetzt und geht wegen ausbleibender Kredite in Konkurs. Auch der Sportverband und mehrere Verbände verlieren einen Teil ihrer bei der Bank angelegten Gelder. Ein Flop in der Zusammenarbeit zwischen Sport und Wirtschaft.

1953

Die Finanzbehörden befreien „Spenden zu Gunsten des Sports“ von der Steuerpflicht und eröffnen den Sportvereinen neue Möglichkeiten zur Gewinnung von Sponsoren.

1958

Das Abgeordnetenhaus von Berlin beschließt das Gesetz über die „Deutsche Klassenlotterie Berlin“ und setzt damit den Grundstock für die Verbands- und Vereinsförderung des Sports aus Toto- und Lottomitteln.

1969

Die Illustrierte „Stern“ finanziert den Wettbewerb „Jugend trainiert für Olympia“ und unterstützt das in Berlin stattfindende Bundesfinale.

1970

Die erfolgreichen Kontakte zwischen Sport zur Wirtschaft führen zur „Internationalen Boots- und Freizeitschau“ auf dem Berliner Messegelände und zur Präsentation der Sportangebote der Mitgliedsorganisationen des Landessportbundes in bis zu zwei Messehallen einschließlich Schwimmvorführungen.

1983

Der Landessportbund Berlin wird Mitglied der Wirtschaftsinitiative „impulse der 80er Jahre“ und stellt sich im ICC der Öffentlichkeit vor.  Der Initiative gehören Vorstandsmitglieder und Direktoren von Berliner Banken, Industriebetrieben, Handelsketten, Medienanstalten und Behörden an. Zu spektakulären Veranstaltungen mit der Sportjugend kommt es 1987 zur 750-Jahrfeier Berlins beim Internationalen Kinderfest in der Deutschlandhalle (25.000 Besucher) und 1988 beim Europäischen Kinderfest im Olympiagelände und auf den Stadion-Terrassen (40.000 Besucher).

1984

Der Präsident des Abgeordnetenhauses, Peter Rebsch, bekräftigt in einem Interview die Absichten von großen Kreisen der Berliner Wirtschaft, eine Bewerbung der Stadt für die Olympischen Spiele 1992 ins Gespräch zu bringen.

1989

Zum Geleit der Broschüre „Sport für Berlin – Die Idee der Sportmetropole“ schreibt LSB-Präsident Manfred von Richthofen: „Gerade weil der Sport so sehr im Mittelpunkt des Interesses steht, lastet auf ihm ein ungeheurer Erwartungsdruck. Ihm mit in erster Linie ehrenamtlichen Kräften und mit Sportlern aus allen Einkommensschichten zu genügen, ist nur mit Hilfe des Staates und der Wirtschaft möglich. Weder kann der reine Staatssport Leitbild einer Gemeinschaft sein, die sich freiheitlichen Idealen verpflichtet fühlt, noch darf ein von der Wirtschaft allein abhängiger Spitzensport betrieben werden. Wir praktizieren in der Bundesrepublik eine gute Mischung aus Fördermaßnahmen der Kommunen, der Länder und des Bundes. Wir praktizieren ein Miteinander mit der Wirtschaft. Dabei soll es auch in Zukunft bleiben.“ Seine Aussagen haben heute wieder aktuelle Bedeutung.

1991

Nach der Deutschen Einheit gehen die „Olympia Berlin 2000 GmbH“, die „Berlin 2000 Marketing-GmbH“ und die „Olympia 2000 Sportstätten-GmbH“ an den Start. Berlin fällt bei der IOC-Abstimmung 1993 in Monte Carlo durch. Seitdem werden erneute Olympia-Kandidaturen Berlins immer wieder heiß diskutiert, die dazu erstellten Wirtschaftsgutachten und Machbarkeitsstudien füllen die Archive der beteiligten Senatsverwaltungen und des Abgeordnetenhauses.

1994

Zum „Einstand“ in der deutschen Hauptstadt finden sich 80 Firmen der bundesdeutschen Wirtschaft in der Initiative „Juventus“ zusammen und veranstalten mit der Sportjugend das „1. Berliner Kinderfestival“. In der Festwoche kommen 200.000 Besucher ins Sportforum Hohenschönhausen, eine Erfolgsgeschichte beginnt.

1999

Als professionellen Vermarkter des Berliner Sports gründet der Landessportbund gemeinsam mit dem Olympiastützpunkt Berlin die „TOP Sportmarketing GmbH“.

2000

Der Landessportbund und die Industrie- und Handelskammer stellen ihre Studie „Die ökonomische Bedeutung von Sportwirtschaft sowie Sport und Wirtschaft“ vor: Mehr als 1000 Unternehmen ziehen aus dem Sport Nutzen oder kooperieren mit Sportorganisationen. Das führt in Berlin zu einem zusätzlichen Umsatz von jährlich 2 Milliarden DM, die durch den Sport generiert werden. Das LSB-Präsidium gründet einen „Wirtschaftsbeirat“, dem neben der IHK und dem Unternehmerverband auch die Vorstände von Berliner Wirtschaftsunternehmen angehören.

2002

Zum Jubiläum „100 Jahre Industrie- und Handelskammer Berlin“ laden die IHK und der Landessportbund gemeinsam zu einer Tagung „Sport und Wirtschaft“ ein. Eine neue Studie fragt nach den „wirtschaftlichen Auswirkungen des normalen Sportbetriebs“ in Berlin. Ein Ergebnis wird beim Kaminabend „Wirtschaft und Sport“ im Beisein erfolgreicher Aktiven bekanntgegeben: 15.000 Arbeitsplätze in Berlin hängen allein mit dem Sport zusammen.

2004

Gründung der „Sportstiftung Berlin“ zur Förderung der sportlichen Karriere junger Sportler(innen) und deren späteren Einstieg in das Berufsleben. Zur Sportstiftung gehören drei Unterstiftungen mit den Schwerpunkten Leichtathletik, Rudern, Schwimmen und Wasserball.

2008

Der Landessportbund Berlin verabschiedet ein „Vermarktungskonzept“ und beauftragt mit dessen Umsetzung die „TOP Sportmarketing GmbH“.

2010 – 2022

Die LSB-Mitgliederversammlung beschließt eine Satzungsänderung und beruft eine(n) Vizepräsidenten(in) für das Ressort Wirtschaft und Marketing. In den LSB-Jahresberichten werden die für den Sport eingeworbenen Mittel aus Spenden und Zuwendungen der Wirtschaft veröffentlicht. Diese belaufen sich im ersten Jahr auf 196.000 Euro und erreichen in Spitzenzeiten bis zu 360.000 Euro.

 

Erstveröffentlichung

in „Sport in Berlin“ 

Nr. 2 – 2023

Der lange Weg des Betriebssports in den Landessportbund

Samstag, 01. April 2023

Die in der Gründungsversammlung des Sportverbandes Groß-Berlin am 29. Oktober 1949 beschlossene Satzung schloss Behörden- und Firmensportvereine von einer Mitgliedschaft aus. Die Gründe dafür waren politisch bedingt: So die nach der Blockade im Ostteil der Stadt entstandenen Betriebssportgemeinschaften als zukünftiger Hauptträger des DDR-Sports sowie die Erfahrungen der NS-Zeit, in denen der Betriebssport als Teil des KdF-Sports personell und finanziell den Vereinssport ruinierte. Auch warnte der Vorstand des Sportverbandes vor einer Rückkehr zum gerade beendeten Kommunalsport durch neue staatliche Abhängigkeiten.

Dagegen richteten sich in Eingaben vornehmlich der Polizei-Sport-Vereins Berlin, der SV Blau-Gelb als Rechtsnachfolger des Post SV Berlin sowie der SV Rot-Weiß der BVG. Am 29.11.49 beschloss der Erweiterte Vorstand – bestehend aus dem SVB-Vorstand und den Fachverbänden – eine verbindliche Definition des Betriebs- und Firmensports: Unter einen Betriebs- oder Behördensportverein, der laut § 3 der Satzung von der Mitgliedschaft im Sportverband ausgeschlossen ist, ist jeder Verein zu verstehen, der nach Namen oder Zweck an einen Gewerbe- oder Behördenbetrieb gebunden oder angelehnt ist. Der Begriff der Anlehnung an den Betrieb ist insbesondere dann erfüllt, wenn die Berufstätigkeit die Mitgliedschaft in diesen Verein zu beeinflussen geeignet ist.

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