Archiv für die Kategorie ‘SportKultur’

Neuauflage: Mit dem Davidstern auf der Brust – Spuren der jüdischen Sportjugend in Berlin von 1889 bis 1938.

Freitag, 22. November 2024

Kurt Schilde erinnert mit seiner 1988 von der Berliner Sportjugend im Eigendruck herausgegebenen Publikation an die Spuren der jüdischen Sportjugend in Berlin von 1889 bis 1938. Das betraf besonders den „Jüdischen Turnverein Bar Kochba Berlin“, der die deutsche Hauptstadt zum Mittelpunkt der vom Zionismus geprägten weltweiten Makkabi-Bewegung machte. Die reich bebilderte Forschungsarbeit erschien nur in 200 Exemplaren, so dass Manfred Nippe und Prof. Dr. Hans-Joachim Teichler nun für eine Neuauflage sorgten.

Erinnert wird an die durch die Novemberpogrome 1938 zerschlagene jüdische Sportbewegung. Wer weiß haute noch, wie viele jüdische Sportvereine es in Berlin gab und wo sie ihre Trainingsstätten hatten? Schilde listet diese Vereine mit ihren Sportarten – vom Turnen über die Leichtathletik und den Fußball bis zum Boxen, Schwimmen, Tennis und Wassersport – auf und berichtet über die von ihnen in den Bezirken genutzten Turnhallen und Sportplätze. Er gibt uns so Gelegenheit, dort vor Ort mit dem „Erinnern“ zu beginnen. Zur Laufbewegung weist er daraufhin, dass Bar Kochba-Hakoah seit 1911 an den großen Berliner Straßenstaffelläufen „Rund um den Friedrichshain“ und „Quer durch Tempelhof“ teilnahm. Höhepunkt war jedes Mal „Potsdam-Berlin“, hier war Bar Kochba-Hakoah 1932 mit sechs Mannschaften und 300 Aktiven vertreten.

Die Jüdischen Sportvereine waren in der Zeit der NS-Diktatur eine letzte Zuflucht zum Sporttreiben, nachdem 1933 die bürgerlichen Sportvereine ihre jüdischen Vereinsmitglieder im vorauseilenden Gehorsam ausgeschlossen hatten. Im Mittelpunkt jüdischen Lebens stand der von der jüdischen Gemeinde gepachtete „Grunewald-Sportplatz“, der 1931/32 in Eigenarbeit ausgebaut und bis 1938 genutzt wurde. Es überrascht, wenn hier von großen, zum Teil international ausgeschriebenen Sportwettkämpfen berichtet wird, an denen zwischen drei- und fünftausend Aktive und Besucher teilnahmen. Nach 1933 vermittelte der Sport ein Stück jüdischer Identität und Zusammenhalt. Auf dem Sportplatz konnten Juden sich selbst und ihrer Umwelt demonstrieren, zu welchen Leistungen sie in Wahrheit imstande waren.

Dort wetteiferten nicht nur Sportlerinnen und Sportler des Makkabi-Verbandes, auch Sportgruppen von „Schild“ im Reichsbund jüdischer Frontsoldaten, sowie die jüdischen Schulen und Jugendbünde. Darüber erschienen keine Berichte in der gleichgeschalteten NS-Presse. Viele der auf den Fotos abgebildeten Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen haben den Holocaust nicht überlebt. Die Neuauflage setzt ihnen, so der Vorsitzende der Sportjugend Berlin Christian Krull in einem Geleitwort, ein würdiges Denkmal. Er endet mit den Worten „Für uns ist klar: Aufklärung und der Appell „Nie wieder ist jetzt“ sind heute dringender denn je“.

Die Neuauflage ist um einen Beitrag von Prof. Teichler „Jüdische Sportlerinnen und Sportler in Deutschland“ erweitert worden. Er gehört zu den Begleitmaterialien der 2015 zu den European Maccabi Games in Berlin gestarteten Ausstellung „Jüdische Sportstars“, die bisher in 40 Städten in Deutschland gezeigt wurde.

Das Buch ist im Verlag für Berlin-Brandenburg (VBB) erschienen, umfasst 136 Seiten, 74 Fotos, Dokumente und Stadtpläne und kostet 20 Euro (ISBN 978-3-96982-106-0).

 

Erstveröffentlichung 

in German Road Races (GRR)

vom 20. November 2024

Gerd Steins 75 Jahre

Mittwoch, 04. September 2024

Am 31. August ist Gerd Steins, der Präsident des Forums für Sportgeschichte, 75 Jahre alt geworden. Er hat sich dazu ohne Brimborium en familia ins Elbtal zurückgezogen. Seine Verdienste für die Sportgeschichte in Deutschland und speziell auch für Berlin als Sportmetropole sind legendär. Dr. Josef Göhler, langjähriger Vizepräsident des Deutschen Turner-Bundes und Turnexperte, hat den Berliner Berufsschullehrer und ambitionierten Sporthistoriker einmal als einen „Kriminologen der Turngeschichte“ bezeichnet.

 

Auch international ist Gerd Steins bei Tagungen und wissenschaftlichen Kongressen bekannt geworden, es gibt kaum einen Stein der Sportgeschichte, den er nicht dreimal umgedreht, beschrieben und katalogisiert hat. Davon künden seine Schriften zur Geschichte der Leichtathletik und speziell der Turngeschichte. Sein 1978 veröffentlichtes Buch über den Turnplatz in der Hasenheide hat das Land Berlin 1986 in großer Auflage nachgedruckt. Zur 750-Jahrfeier Berlin 1987 ist das Geschichtsbuch des Berliner Sports „Vom Ritterturnier zum Stadtmarathon“ erschienen. Große Ausstellungen trugen als Kurator seine Handschrift, von der Frankfurter Paulskirche als Ausgangsort der Demokratiebewegung 1983 bis zu Deutschen Turnfesten und Weltmeisterschaften in Berlin. Er ist Herausgeber und Autor der „Sporthistorischen Blätter“, von denen annähernd 30 erschienen sind, darunter auch Fotobände über Jesse-Owens und das Lesebuch zum Fünfzigjährigen des Landessportbundes Berlin.

Mit Professor Michael Krüger (Münster) ist er Herausgeber der Schriftenreihe „Geschichte der Körperkultur in Studien und Materialien“, hier ist der vierte Band in Vorbereitung. In englischer Sprache kommen die Marathonschriften des Weltverbandes AIMS hinzu. Ein von ihm mit Horst Milde verfasstes Buch „Immer wieder Marathon!“ ist gerade in Druck gegangen.

Mit Ausstellungen zur jüdischen Sportgeschichte ist Gerd Steins dem Schicksal der Olympiasieger von 1896 Alfred und Gustav Felix Flatow nachgegangen. An einer Wander-Ausstellung und der seit 1986 verliehenen „Flatow-Medaille“ bis hin zur Namensgebung von Sportstätten und Straßen hat er maßgeblich mitgewirkt. Für die vom Senat erstellten „Machbarkeitsstudien“ zum Berliner Olympiagelände hat er Expertisen beigetragen und deutschlandweit darüber referiert, so kürzlich in der Universität Halle.

 

(mehr …)

Straßenumbenennungen in Berlin: Ein weites Feld für Aktivisten jeder Art.

Samstag, 07. Januar 2023

Was wird aus Martin Luther, Richard Wagner und Turnvater Jahn?

 

Der Leipziger Journalist und Politologe Dr. Felix Sassmannshausen hat im Oktober 2021 im Auftrag des Berliner Antisemitismusbeauftragten ein Dossier mit Vorschlägen für Straßen-Umbenennungen in Berlin vorgelegt, die einen antisemitischen Bezug haben.

Auf 340 Seiten benennt er 290 Namen von mehr als 10.000 Straßen und Plätzen in Berlin, die nun weiter wissenschaftlich erforscht, kontextualisiert oder umbenannt werden sollen. In fast der Hälfte aller Fälle plädiert er für eine Streichung der Namensgeber, unter ihnen herausragend Martin Luther und Richard Wagner. Ein Aufschrei in der Tagespresse und erste Reaktionen in den für Umbenennungen zuständigen Berliner Bezirken finden breites Echo in der Öffentlichkeit, in überregionalen Zeitungen und Medien. Die Debatte gewinnt immer mehr an Fahrt.

 

 

 

 

(mehr …)

Vor 100 Jahren: Die ‚Stadion-Terrassen‘ werden Reservelazarett.

Samstag, 28. Februar 2015

 

Mit Ausbruch des 1. Weltkrieges wurden auch Einrichtungen des Berliner Sports als Genesungsheim oder Reservelazarett genutzt. So ab 1. August 1914 der heutige Jugendferienpark Ahlbeck, das damalige Kaiser-Wilhelm-Kinderheim. Manfred Nippe berichtet über die ‚Stadion-Terrassen‘ am Olympiastadion, das damalige Restaurant ‚Waldhaus‘ der Grunewald-Rennbahn und des Deutschen Stadions. Im Frühjahr 1915 wurde der heutige Sitz des Landessportbundes Berlin als Reservelazarett eröffnet.

(mehr …)

Mathilde Kirschner – die Oberin des Kaisers.

Freitag, 23. Januar 2015

Erinnerungen an eine bürgerliche Sozialreformerin9mat_por

Die 1951 in Berlin (West) verstorbene Vorsitzende des Vereins „Arbeiterinnenwohl“, Mathilde Kirschner, gehört zu den erfolgreichen bürgerlichen Sozialreformerinnen des vorigen Jahrhunderts. Ihr Wirken spiegelt die gesellschaftlichen und politischen Umbrüche von der Kaiserzeit über die Weimarer Republik zur NS-Zeit bis zum Neubeginn der Bundesrepublik nach 1945. Herausragend waren ihre Tätigkeiten als Leiterin eines der ersten „Arbeiterinnenheime“ in Berlin-Moabit und als Oberin des ‚Kaiser-Wilhelm-Kinderheims‘ in Ahlbeck auf Usedom.

(mehr …)

Sportgeschichte zum Anfassen – die Fußball-Route Berlin.

Donnerstag, 12. Dezember 2013

 

  FRB-Logo

Das bei der Mitgliederversammlung des Landessportbundes Berlin 2012  vom Berliner Fußball-Verband vorgestellte Konzept einer „Fußball Route“ war faszinierend: Mit dem Fahrrad oder zu Fuß unterwegs zu markanten Punkten der Berliner Fußballgeschichte, das gab es in der Sporthauptstadt noch nicht. Also Fußball und Sportentwicklung zum Anfassen, zum Kennenlernen der Kieze und Vereine. Wer weiß denn heute noch, wo   Deutschlands ältester Fußballverein, der BFC Germania 88, gegründet wurde? Oder, wer im 19. Jahrhundert auf dem Tempelhofer Feld kickte, wo Sepp Herberger in seinen Berliner Jahren wohnte, Hertha und Union ihre Erfolge und Niederlagen erlebten, die Ost-West-Auseinandersetzungen den Sport teilten und was sonst noch wann und wo nicht nur die Fußballwelt bewegte? Die ‚Fußball Route‘ will Antworten bringen – und das Vorhaben geht jetzt in die Realisierungsphase

 

Vor 1900: Germania-Spielszene

Germania 88 vor 1900 (Foto: BFV)

 

 

(mehr …)

Sport ist mehr: Die sozialen Aufgaben des Sports

Freitag, 02. August 2013

 

Das Sport ‚mehr ist als Körperertüchtigung‘ ist, ist eine wissenschaftlich bewiesene und tausendfach beschriebene Binsenweisheit, ja eine Selbstverständlichkeit. Unsere Mediengesellschaft unterschlägt die kulturellen und insbesondere die sozialen Leistungen der Sportvereine nur zu gern und stellt die sportlichen Heroen ins Scheinwerferlicht. Sportvereine sind in erster Linie zum Sporttreiben da, was ja auch nicht falsch ist.  Der Verein als eine von Bürgern freiwillig und überwiegend ehrenamtlich betriebene ‚Sozialstation‘ liegt für Außenstehende weitgehend im Dunkeln. Sozialstation? Da denkt man eher an das Rote Kreuz, die Kirchen und an Wohlfahrtsorganisationen, nicht an den benachbarten Turnverein, die Wassersportgemeinschaft oder den Fußballclub. Von den Mitgliedern der Sportvereine, und das sind in Deutschland Millionen, werden die sozial-kulturellen Leistungen ihrer Vereine dagegen ganz hoch eingeschätzt: Nach der „Finanz- und Strukturanalyse“ des Deutschen Sportbundes ist z.B. die Bedeutung der sozialen Aufgaben der Sportvereine für sie in etwa gleich groß wie die des Wettkampfsports, also des Sporttreibens selbst. Deshalb also die Kampagnen des Deutschen Sportbundes wie z.B. „Sportvereine – für alle ein Gewinn“ und der Aussage ‚Das soziale Netz wird nicht nur die Politik geknüpft’.

(mehr …)

Bildende Kunst auf den Stadion-Terrassen.

Montag, 12. November 2012

Haus des Sports an der Jesse-Owens-Allee:

Bildende Kunst auf den ‚Stadion-Terrassen’ am Berliner Olympiastadion

 

Seit der Eröffnung der ständigen Ausstellung des Deutschen Historischen Museums am Maifeld des Olympiastadions (Glockenturm), Ausstellungen des Sportmuseums Berlin im Lichthof des Deutschen Sportforums und der Fertigstellung des ‚Geschichtspfades’ ist das Berliner Olympiagelände der Spiele von 1936 auch für kunst- und zeitgeschichtlich interessierte Besucher eine spannende Adresse geworden. Die Planungen eines ‚Hertha-Museums’ im Stadion werden ebenfalls von immer mehr Fans und nicht nur Fußballbegeisterten verfolgt. Für 2017 ist die Eröffnung des Ausstellungszentrums des Sportmuseums unter dem Glockenturm des Maifeldes vorgesehen.

(mehr …)

1909-2009: 100 Jahre Stadion-Terrassen am Olympiastadion

Montag, 12. November 2012

Das Berliner „Haus des Sports“ hat Jubiläum: 100 Jahre ‚Stadion-Terrassen’ 2009 an der Jesse-Owens-Allee.

 

Mit der Eröffnung der „Grunewald-Rennbahn“ durch Kaiser Wilhelm II und den traditionsreichen Union Club am 23. Mai 1909 war auch der Bau einer anspruchsvollen Gastronomie verbunden. Das „Restaurant Waldhaus“ mit seinem lang gestreckten Gebäude und den entstandenen Terrassen dominierte den östlichen Teil des Rennbahngeländes. Im Straßengeschoss lag die „Kutscherkneipe“, darüber das Restaurant mit mehreren Sälen, Empfangsräumen und dem Küchentrakt. Vom 27. Mai bis 2. Juni 1909 tagte das Internationale Olympische Komitee unter Vorsitz von Pierre de Coubertin (X. Session) im Berliner Hotel Adlon und traf sich zur Besichtigung der für die Olympischen Spiele 1916 in Berlin geplanten Baulichkeiten im Restaurant Waldhaus zu einem Empfang.

 

(mehr …)